Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez (li.) und sein katalanisches Gegenüber Quim Torra sprechen wieder miteinander. Noch im Februar soll ein strukturierter Dialog beginnen.

Foto: APA/AFP/LLUIS GENE

Ehrenspalier der katalanischen Polizei in historischen Uniformen, spanische und katalanische Fahnen: Das Eintreffen des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Amtssitz seines katalanischen Kollegen Quim Torra in Barcelona erinnerte an einen Staatsbesuch. Das Treffen unter vier Augen dauerte eineinhalb Stunden und war das erste seit Dezember 2018. Die beiden einigten sich auf den Beginn eines Dialogprozesses noch im Februar, um eine politische Lösung für den Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens zu finden. "Es gibt keine Lösung ohne Dialog innerhalb des gesetzlichen Rahmens", erklärte Sánchez nach dem Treffen. Er versprach einen "Neuanfang" und "sofortigen Kurswechsel".

"Wir sind seit langem für einen Dialog bereit", sagte Torra. Dass es bisher nicht dazu gekommen sei, habe an Madrid gelegen, erklärte der Katalane, versprach aber gleichzeitig einen "aufrichtigen Dialog". Die Beteuerungen ändern allerdings nichts daran, dass beide Seiten weit voneinander entfernt sind. Torra etwa verlangte erneut die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes.

Sánchez gegen Referendum

Sánchez sprach sich einmal mehr gegen ein Referendum aus und verteidigte den Autonomiestatus der Region. Außerdem lehnte er den Wunsch Torras nach einer Amnestie für die separatistischen Politiker und Aktivisten ab. Sie wurden nach der Abhaltung der von Madrid untersagten Volksabstimmung im Oktober 2017 zu hohen Haftstrafen verurteilt. Stattdessen legte er einen "Fahrplan zur Wiederbegegnung" vor. Darin ist vor allem von Finanzausgleich, neuen Infrastrukturen und soziale Themen die Rede.

Sánchez, der im Wahlkampf den Forderungen der Katalanen immer wieder Absagen erteilt hatte, sah sich nun zum Dialog gezwungen. Denn der kleinere der beiden katalanischen Koalitionspartner, die Torras Regierung stellen – die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) –, hatte im Jänner die Verhandlungen zur Bedingung gemacht, um Sánchez zum Premier zu machen.

Für Torra war das Treffen in jedem Fall ein Erfolg: Es bestätigt ihn im Amt. Denn nur wenige Wochen zuvor entzogen ihm die spanische Wahlbehörde und der Oberste Gerichtshof den Abgeordnetenstatus. Torra hatte sich im Wahlkampf lange geweigert, ein Transparent an seinem Amtssitz abzuhängen, mit dem er sich mit den mittlerweile Verurteilten solidarisierte. Die spanische Justiz sah darin "Ungehorsam".

Opposition gegen Treffen

Die Opposition in Madrid will von einem Dialog mit Torra nichts wissen. Der konservative Partido Popular (PP) reichte eine Klage gegen Torra wegen "Amtsanmaßung" ein. Ohne Sitz im katalanischen Parlament könne er nicht weiter Ministerpräsident bleiben. Die rechtsradikale Vox – drittstärkste Partei in Spanien – sprach von einem Treffen "eines illegitimen spanischen Ministerpräsidenten mit einem illegalen katalanischen Ministerpräsidenten". PP und Vox werfen Sánchez vor, den Separatisten bei der Zerstörung Spaniens zu helfen.

Torra pokert mit Blick auf die Wahlen in Katalonien. Die Koalition seiner Partei "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) und der ERC steckt in einer tiefen Krise, seit diese Sánchez unterstützt. Torra will nach den bis März andauernden Budgetverhandlungen Neuwahlen ansetzen. Noch liegt ERC in den Umfragen leicht vor JxCat. Torra hofft, dass die Gespräche und Sánchez’ Ablehnung der Hauptforderungen der Unabhängigkeitsbewegung die JxCat erneut zur stärksten Kraft im Unabhängigkeitslager machen. Sánchez wäre so auf eine ERC angewiesen, die durch ihre Kompromissbereitschaft zu Hause Schaden genommen hat. (Reiner Wandler aus Madrid, 6.2.2020)