Romney traf eine einsame Entscheidung – die, wie er sagte, "schwierigste" seines Lebens: Er stimmte für Trumps Amtsenthebung.

Foto: Leicht hat es sich Mitt Romney nicht gemacht: Denn wer ist schon gern der einzige Abweichler in der Phalanx von Donald Trump? Doch sein Votum gegen den US-Präsidenten hatte für ihn gute Gründe.

Er könne sich durchaus ausmalen, was jetzt auf ihn zukomme, orakelte Mitt Romney, noch bevor er eine Rede hielt, mit der er sich in den Augen seiner Bewunderer einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte. Sicher werde er umgehend die Folgen seines Handelns zu spüren bekommen, zumal der Präsident von den Prominenten seiner Partei strikte Loyalität erwarte.

Bereits am Wochenende, erzählte er der New York Times, habe ihn jemand in einem Supermarkt in Florida als Verräter beschimpft. Ein anderer habe aufgebracht verlangt, dass er gefälligst im Team spielen solle, statt eigene Wege zu gehen. Er wolle bestimmt nicht der "Stinkstiefel der Gartenparty" sein, baute Romney in dem Interview vor. Als er dann bei einem spektakulären Auftritt sein Votum gegen Donald Trump begründete, machte er deutlich, dass ihm trotz aller dunklen Vorahnungen nur die eine Entscheidung bleibe, wolle er mit sich im Reinen bleiben.

Konsequente Entscheidung

Am Mittwoch war der Senator aus Utah der einzige Republikaner, der es wagte, sich gegen den eigenen Präsidenten zu stellen. Mit 52 zu 48 Stimmen entschied die Kammer, Donald Trump freizusprechen von dem Vorwurf, sein Amt missbraucht zu haben, indem er den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zur Aufnahme von Ermittlungen gegen den innenpolitischen Rivalen Joe Biden drängte.

Zwar hatten auch andere Konservative öffentlich von einem Fehler Trumps gesprochen – nur eben von einem Fehler, der nicht mit der Amtsenthebung bestraft werden dürfe. Nur Romney zog aus der Analyse den Schluss, für die Absetzung zu plädieren.

Es waren nicht zuletzt seine sehr persönlichen Worte, die unter die Haut gingen, die Demokraten wie Adam Schiff, den Wortführer des Impeachment-Verfahrens, von bewundernswerter Courage sprechen ließen. "Ich werde meinen Kindern und deren Kindern sagen, dass ich meine Pflicht erfüllte, so gut ich es konnte; aus dem Glauben heraus, dass mein Land es von mir erwartete", sagte Romney. "Wir alle sind bestenfalls Fußnoten in den Annalen der Geschichte", fügte er ebenso emotional hinzu. Aber in der stärksten Nation auf Erden, "einer in Freiheit und Gerechtigkeit gezeugten Nation", könne schon eine Fußnote einen Unterschied ausmachen.

Hohn und Spott von Trump

Während die Demokraten, die geschlossen für die Absetzung Trumps gestimmt hatten, "eine Rede für die Jahrhunderte" gehört hatten – so Senator Chris Murphy –, verspottete Trump den Abweichler als Verlierer. Hätte sich der Präsidentschaftskandidat von 2012 mit derselben Energie und demselben Zorn der Aufgabe gewidmet, hätte er den schwächelnden Barack Obama besiegen können, twitterte er. Bereits zuvor hatte sein ältester Sohn, Donald junior, den Ausschluss des Renegaten aus der Partei gefordert.

Es gibt Zeitgenossen, die im rebellischen Sich-Aufbäumen des ansonsten so staatstragend wirkenden Republikaners tatsächlich nur einen verspäteten Racheakt sehen. Denn im Spätherbst 2016, Trump hatte die Wahl gerade gewonnen und begann, sein Kabinett zusammenzustellen, durchlitt er einen der peinlichsten Momente seiner Karriere: Trump hatte ihn in die engere Wahl für den Posten des Außenministers genommen – und er selber war durchaus bereit, seinen Frieden mit dem Rivalen zu machen. Nach einem Gespräch unter vier Augen trat Romney in New York vor die Kameras, um eine Lobrede auf den Mann zu halten, den er noch Monate zuvor als "Mogelpackung" bezeichnet hatte. Es half nichts: Das Amt ging an den Ölmanager Rex Tillerson. Trump hatte seine Nemesis schlicht vorgeführt – und zu einem verbalen Kniefall gezwungen. Nun, so eine verbreitete These, folgte die späte Revanche.

Republikaner der alten Schule

Zur Wahrheit gehört aber auch die Erkenntnis, dass Republikaner der alten Schule, wie Romney einer ist, nichts mehr zu bestellen haben in einer Partei, in der nur noch vereinzelt Widerspruch gegen Trumps Nationalismus aufflackert. Im Sommer 2012 war Romney, Ex-Gouverneur des liberalen Bundesstaats Massachusetts, noch als Kandidat der "Grand Old Party" ins Duell gegen den Amtsinhaber Obama gezogen. Im Februar 2020 ist er nur noch Außenseiter – und das keineswegs nur wegen seines Stimmverhaltens in Sachen Impeachment.

Romney steht beispielhaft für die Fraktion der Freihändler, die nach dem Zweiten Weltkrieg fast sieben Jahrzehnte den Ton bei den US-Konservativen angaben, bevor sie in der Ära des Protektionisten Trump deutlich an Einfluss verloren. Er steht für Respekt für die Institutionen, für das Festhalten an traditionellen außenpolitischen Allianzen, für einen harten Kurs gegenüber Russland, fiskalpolitisch für einen Sparkurs, der auch bedeutet, bei Sozialausgaben den Rotstift anzusetzen. Mit Trumps "America first" hat er ebenso wenig am Hut wie mit dem Populismus eines Präsidenten, der rhetorisch den Arbeiterführer gibt. (Frank Herrmann aus Washington, 6.2.2020)