Feller war beim RTL in Garmisch als 28. bester Österreicher.

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Chamonix – Nach dem schlechtesten Riesentorlauf-Auftritt der Weltcupgeschichte haben Österreichs Skiherren in Chamonix die Chance zur Wiedergutmachung. Platz 28 von Manuel Feller in Garmisch-Partenkirchen hatte hängende Köpfe und mediales Donnerwetter zur Folge gehabt. Am Donnerstagabend nahm sich auch Ex-ÖSV-Skifahrer Christian Mayer kein Blatt vor den Mund: "Wenn ich Manuel Feller zuschaue, kommen mir die Tränen, weil er technisch derart schlecht Ski fährt", zitiert ihn der Schweizer "Blick".

Zu große Vorbilder

Mayer, der von 1990 bis 2006 im Skiweltcup fuhr und dabei sieben Weltcuprennen gewinnen konnte, glaubt, eine Ursache der ÖSV-Krise zu kennen: "Zu viele Rennfahrer wollen Marcel Hirscher kopieren. Jeder glaubt zum Beispiel, er brauche wie Marcel über 100 verschiedene Paar Ski. Bei Hirscher war das tatsächlich gewinnbringend, weil er und sein Vater Ferdinand ein extrem großes Wissen über das Material gehabt haben. Weil unsere aktuellen Rennfahrer aber längst nicht so viel Ahnung davon haben, verzetteln sie sich bei einer so großen Ski-Auswahl nur."

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Mayer beim RTL in Kranjska Gora im Jahr 2000.
Foto: REUTERS Fotograf: SRDJAN ZIVULOVIC

Dieser Effekt kommt Mayer aber durchaus bekannt vor: "Weil Hermann Maier unzählige Stunden auf dem Fahrrad-Ergometer verbrachte, haben in den frühen 2000er-Jahren unzählige junge Ski-Talente geglaubt, sie müssten genau dasselbe tun. Deshalb konnten vor der Ära Hirscher im ÖSV-Team zwar alle passabel Radl fahren, dafür hatten die meisten skitechnisch gewaltige Defizite."

Puelacher als Ruhe in Person

Während die öffentliche Kritik am Techniker-Team wächst, moderiert Andreas Puelacher die durchwachsene Saison weiter mit stoischer Ruhe. Kitzbühel war gut, Schladming unglücklich und Garmisch eben schlecht. Der Ressortleiter des Herrenteams nahm vor den Aufgaben im Osten Frankreichs Anleihe am Fußball. "Wenn du im Fußball einmal eine drüberkriegst, kriegst du eine drüber. Dann hast du ein Spiel verloren, aber nicht die Meisterschaft." Ergänzung: "Wegen einem solchen Rennen werden wir uns nicht rausbringen lassen."

Zwar will der Tiroler mit einem derartigen Nackenschlag nicht gerechnet haben. "Aber wir wussten, dass es auch Rennen geben wird, die nicht so gut laufen werden." Und weil Skifahrer wie Fußballer in öffentlichen Aussagen nur "von Spiel zu Spiel" denken, war Garmisch Freitagfrüh längst abgehakt. Und statt – wie zuletzt üblich – eines Tandems aus Abfahrt und Kombination steht in Chamonix erstmals seit 15 Jahren wieder ein Slalom auf dem Programm. Da ist die Chance für rot-weiß-rote Erfolge ungleich höher als im Riesentorlauf.

Slalom als Chance

Für den großen Wurf, sprich den Sieg, reichte es vor dem neunten Saisonbewerb aber nicht. Am knappsten dran war Marco Schwarz als Zweiter in Kitzbühel und natürlich zuletzt in Schladming, als der Kärntner als Halbzeitführender nach wenigen Toren ausschied. Auf Schwarz kommt am Ort der ersten Olympischen Winterspiele (1924) eine besondere mentale Herausforderung zu, die Puelacher aber wenig beunruhigt. "Der weiß, was er kann. Er fährt ja eine Topsaison."

Dass Schwarz' Ausrutscher ausgerechnet im größten Slalomrennen des Winters passierte, soll laut Puelacher die kommende Aufgabe nicht zusätzlich erschweren. "Das sind alle Profis. Pinturault fädelt in Wengen ein und gewinnt in Garmisch." Die Geschwindigkeit, mit der Schwarz in seiner Comebacksaison teamintern wieder die erste Geige spielt und im Stangenwald auf Augenhöhe mit Daniel Yule (drei Siege), Clement Noel (zwei) und Henrik Kristoffersen (zwei) agiert, überraschte den Cheftrainer. "Er fährt im Slalom eigentlich über meinen Erwartungen."

Kampf um Gesamtweltcup

Im Gesamtweltcup will Alexis Pinturault vor heimischer Kulisse die Führung vom zuletzt an der Schulter angeschlagenen Henrik Kristoffersen erobern. Pinturault fehlen 55 Punkte, in Garmisch war er erstmals auf neuen Head-Ski unterwegs – und gewann. Die bisher letzten Chamonix-Slalomerfolge gingen an den Italiener Giorgio Rocca, der 2005 und 2004 triumphierte. Der letzte österreichische Sieger heißt Thomas Sykora (1997). (APA, red, 7.2.2020)

Aufgebot für die Weltcupbewerbe am Wochenende in Chamonix:

Slalom am Samstag (10.00/13.00 Uhr, live ORF 1): Marco Schwarz, Michael Matt, Manuel Feller, Marc Digruber, Adrian Pertl, Dominik Raschner, Fabio Gstrein, Johannes Strolz

Parallel-Riesentorlauf am Sonntag (09.30/13.15/live ORF 1): Schwarz, Matt, Feller, Roland Leitinger, Stefan Brennsteiner, Raschner, Gstrein, Strolz