Wien/Krems – In den spanischen Pyrenäen sind Forscher auf die Spuren eines steinzeitlichen Massakers gestoßen: Vor etwa 7.300 Jahren wurden dort neun Menschen – vier Kleinkinder und fünf ältere Personen – getötet und anschließend in eine Höhle geworfen. Die in den Jahren 2009 bis 2019 ausgegrabenen Skelette wurden nun eingehend analysiert, die Studie des Teams um Erstautor Kurt W. Alt vom Zentrum Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University (DPU) wurde im Fachmagazin "Scientific Reports" vorgestellt.

Der Fund

Zumindest vier der Erwachsenen wurden durch Pfeilschüsse in den Kopf getötet, sagt Alt: "In einem Fall hat man durch das Auge geschossen, wobei die Pfeilspitze an der Innenseite des Schädelknochens aufschlug". Laut den an den Untersuchungen beteiligten Rechtsmedizinern wurden die Schüsse alle aus ungefähr derselben Entfernung abgegeben.

"Alle fünf Erwachsenen und die vier Kleinkinder weisen zusätzlich zahlreiche Verletzungen durch stumpfe Gewalt am Schädel und den übrigen Knochen auf", so die Forscher. An den Langknochen von Armen und Beinen lagen diese Verletzungen häufig gelenknah und hätten zum Durchtrennen und Zersplittern der Knochen geführt.

In der Höhle von Els Trocs wurden Spuren eines steinzeitlichen Gewaltausbruchs entdeckt.
Illustr.: University of Valladolid/Arcusa Magallón

In der Enge der Höhle von Els Trocs, wo der Fund gemacht wurde, wäre es unmöglich gewesen, mit Pfeil und Bogen zu hantieren. Deshalb müssen die tödlichen Schüsse im Freien abgegeben worden sein. Offensichtlich wurden die Leichen dann in die Höhle gebracht. "Dort wurden postmortal weitere Manipulationen vorgenommen, welche der Auffindungszustand dokumentiert", so die Forscher. Die Gewalt an den Opfern sei dermaßen übertrieben, dass sie nicht von einem "einfachen" Raub ausgehen, der eskalierte.

Interpretation

Das Massaker fiel in eine Zeit, in der sich in der Region ein fundamentaler kultureller Wandel vollzog: nämlich vom Jäger- und Sammlertum zur Landwirtschaft, die durch Einwanderer aus dem Nahen Osten nach Europa gekommen war. Die Opfer des Massakers rechnen die Forscher dieser neuen Kultur zu: "Wir glauben, dass die Opfer wie bei der österreichischen Almwirtschaft die Sommermonate auf der Hochebene verbracht haben", so Alt. Die bis zu 60 Jahre alten Frauen und Männer, denen die Arbeit auf den Feldern zu schwer war, haben sich demnach um Vieh und Kleinkinder gekümmert, und ihre Angehörigen im Tal damit entlastet.

Hinweise auf die Täter gibt es keine, sie haben keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Denkbar sind zwei Varianten: Entweder waren es Angehörige derselben Kultur oder solche der alteingesessenen Jäger und Sammler, die sich durch die Aktivitäten der bäuerlichen Gruppen in ihrem Territorium massiv gestört fühlten und sie mit dem Gewaltakt einschüchtern wollten – die Brutalität des Vorgehens spricht für Alt dafür, dass hier ein Zeichen gesetzt werden sollte.

"Dass Kleinkinder ermordet und 60-jährige Frauen auf einmal erschossen wurden, lässt mich daran glauben, dass hier am ehesten zwei Welten aufeinandergeprallt sind", so Alt. "Für mich ist das viel wahrscheinlicher, als dass zum Beispiel zwei benachbarte Bauerndörfer einander meinetwegen Vieh gestohlen oder Frauen geraubt haben, und sich so das Leben schwer machten." (red, APA, 10. 2. 2020)