Immer mehr Unternehmen setzen in ihrer Firmenkultur auf das kumpelhafte Du statt auf das förmliche Sie. "Das Du ist in größeren Unternehmen mittlerweile genauso modern wie der offene Hemdkragen", sagt der internationale C-Level-Coach Georg Breiner. Als Teamentwickler arbeitet er auf Managementebene an der Zusammenarbeit und Kultur in großen Unternehmen.

Start-ups leben es vor – je hemdsärmeliger eine Branche, desto persönlicher wird der Umgang miteinander. Auch die Jungen fühlen sich wohler. Duzt man sich bei der Arbeit, fühlt sich das laut Breiner für Unternehmen doch gleich agiler an. Will man mit einem Du zusätzlich Hierarchien einreißen, wird es schwierig. Für Breiner ist ein Du noch kein Indiz für Standeslosigkeit in einem Unternehmen, sei man in Österreich doch obrigkeitsgläubig.

Sind wir per Du oder Sie? Laut einem Management-Coach trägt das Du nicht automatisch zu einer offeneren Kommunikation in Unternehmen bei.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Dass der Schwenk vom Sie zum Du im Umgang mit der Chefetage für manche Mitarbeiter anfangs befremdlich ist, ist nachvollziehbar. Den Vorstand von einem Tag auf den anderen mit dem Vornamen anzusprechen ist auch nicht jedermanns Sache. Geht die Unterhaltung nicht über ein freundliches "Hallo" hinaus, kann man noch die Kurve kratzen, geht die Unterhaltung weiter, wird es schon etwas schwieriger. "Wenn von der Unternehmensführung allen das Du angeboten wird, kann man es getrost über alle Hierarchiestufen hinweg verwenden. Ignoriert man es oder traut sich da nicht drüber, sendet man ein Signal, das man vielleicht nicht senden möchte", sagt Breiner.

Ein Signal – mit Wirkung?

Einer der Du-Pioniere in Österreich war Ikea. Der schwedische Möbelriese hat 1977 sein erstes Einrichtungshaus in der Shopping City Süd in Vösendorf eröffnet. "Woran sich unsere Mitarbeiter von damals gerne erinnern, ist, dass es bei uns formlos zuging – keine Krawatten, kein Anzugzwang. Viele wollten auch aus diesem Grund bei Ikea arbeiten", sagt Barbara Riedl, Unternehmenssprecherin von Ikea Österreich. Auch im Bewerbungsprozess wird bei Ikea das Du gelebt – sei es in Stellenanzeigen oder beim ersten persönlichen Gespräch. Für Riedl erleichtert das Du in der Zusammenarbeit vieles: "Auch Lehrlinge trauen sich dadurch, offen Feedback zu geben."

Kein Selbstläufer

Für den Management-Coach Breiner führt ein Du nicht automatisch zu einer offeneren Kommunikation. "Man wird noch immer gut überlegen, zu wem man was wie sagt." Breiner merkt auch an: "Ein Du täuscht Vertrautheit vor, die in großen Unternehmen so nicht möglich ist. Dankbarkeit und Loyalität sind dort nicht vorgesehen. Große Organisationen haben eine andere Grundabsicht, die auf das Maximieren finanzieller Werte ausgerichtet ist. Darüber verbittert zu sein ist nicht hilfreich", sagt Breiner.

Steckt das Du bei Ikea in der DNA, bleibt man bei der Unicredit Bank Austria in offiziellen E-Mails an die Belegschaft per Sie und siezt Kollegen, die man noch nicht kennt, am Telefon oder bei Meetings. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht: "Bei einem derart diversen und großen Unternehmen kann man nicht von einer einheitlichen Du- oder Sie-Kultur sprechen. Das hängt immer von den einzelnen Teams und der Altersstruktur ab", erklärt Giorgiana Lazar, Leiterin des Bereichs Human Capital der Unicredit Bank Austria. Im internationalen Kontext hat sich aber laut Lazar die Anrede mit dem Vornamen durchgesetzt.

Ist man neu in einem Unternehmen und ist es nicht eindeutig klar, ob man sich siezt oder duzt, rät Breiner, gleich zu Beginn nachzufragen. Bekommt man ein Sowohl-als-auch zur Antwort, dann hält man sich am besten an die alte Schule: "Der Ältere bietet dem Jüngeren das Du an oder die Führungskraft dem Mitarbeiter."