Die Wahrscheinlichkeit, konkrete Erkrankungsfälle durch das Fiebermessen zu finden, ist gering.

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Seit Donnerstag werden Passagiere am Flughafen Wien bei Direktflügen aus China einem Temperaturcheck unterzogen. Damit sollen Reisende, die möglicherweise mit dem neuartigen Coronavirus 2019-nCoV infiziert sind, schnell erkannt und behandelt werden können. Flughafen-Vorstand Günther Ofner zufolge handelt es sich um drei Flüge pro Woche, alles Air-China-Flüge aus Peking. Bereits im Flugzeug überprüfen Mitarbeiter des Roten Kreuzes die Körpertemperatur aller Passagiere mit einem Infrarotthermometer.

Experten zweifeln allerdings an der Sinnhaftigkeit der Aktion. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme einen Effekt haben wird, geht gegen null. Es handelt sich mehr um Aktionismus. In Wirklichkeit wird das vermutlich ineffizient sein", sagt der deutsche Epidemiologe Ralf Reintjes von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Die Skepsis an der Effektivität von Körpertemperaturmessungen beruht vor allem auf der Tatsache, dass der Krankheitsverlauf und die Intensität der Symptome von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein können. Eine mit 2019-nCoV infizierte Person kann bis zu zwei Wochen nach der Ansteckung gar keine Symptome aufweisen.

Bei milden Infektionen haben die Patienten nur Schnupfen und einen trockenen Reizhusten, schwere Erkrankungsfälle führen hingegen zu Fieber und Lungenentzündungen. Reisende, die nur leichte oder gar keine Symptome haben, werden durch die Temperaturmessungen nicht identifiziert, ansteckend sind sie aber trotzdem. "Fiebermessen hilft also nur bedingt. Man findet jene, die akut erkrankt sind und bei denen die Infektion bereits ausgebrochen ist. Man fängt aber nicht diejenigen ab, die sich gerade erst infiziert haben oder die bereits Überträger sind, aber noch kein Fieber haben", gibt Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie am Uniklinikum Bonn, zu bedenken.

Nicht nur Fieber messen

Die Wahrscheinlichkeit, dass Reisende falsch-positiv getestet werden, erhöht sich auch dadurch, dass in den Wintermonaten Hochsaison für Erkältungs- und Influenzaviren ist. "Dadurch findet man wohl eher Menschen mit anderen Infekten, die ähnliche Symptome haben, wie sie bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus auftreten. Fast jeder, der aus einem Übernachtflieger steigt, hat Kratzen im Hals und eine laufende Nase", betont Streeck.

Passagiere, die Fieber haben, werden von den Sanitätsbehörden mit speziellen Fahrzeugen in die Krankenhäuser in Mödling oder St. Pölten gebracht und dort weiter untersucht, um festzustellen, ob sich ein Verdacht erhärtet. "Das ist sehr aufwendig und kostenintensiv", sagt Streeck. In Österreich gibt es bislang keinen einzigen Fall einer 2019-nCoV-Infektion.

Es gehe bei den Maßnahmen am Flughafen nicht rein um das Fiebermessen, relativiert Anton Heinzl, Sprecher der niederösterreichischen Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Vielmehr würden die Passagiere dabei auch über das Virus informiert. "So wissen sie, wohin sie sich später wenden können, sollten sie Krankheitssymptome entwickeln", sagt Heinzl.

Unter Druck setzen

Zudem müssen alle Fluggäste eine "Passenger Locator Card" ausfüllen, auf der sie angeben, wie sie von den Behörden erreicht werden können. Man wisse, so Heinzl, dass die Wahrscheinlichkeit, konkrete Erkrankungsfälle durch das Fiebermessen zu finden, gering ist. "Diese Flughafenkontrollen sind eine erste Maßnahme, um das Sicherheitsgefühl der Menschen zu wahren", betont Königsberger-Ludwig. Eine wirksame Maßnahme sei Studien zufolge hingegen das Messen der Temperatur im Abflugland, ergänzt Heinzl.

Über die Kosten der Maßnahme kann das Land Niederösterreich noch keine Auskünfte geben. Momentan machen insgesamt zwei Amtsärzte zusätzlich Überstunden. Welche Summe für die vier Sanitäter anfällt, die im Einsatz sind, sei derzeit mit dem Roten Kreuz noch nicht vereinbart, sagt Heinzl. Die Fieberthermometer haben rund 200 Euro gekostet. Bisher wurden sämtliche Kosten vom Land übernommen. Letztendlich hängt die Summe auch davon ab, wie lange die Aktion andauert. "Durch die Maßnahme werden sich andere Regierungen womöglich unter Druck gesetzt fühlen. Man kann seine Mühen und Gelder effektiver nutzen", kritisiert der deutsche Epidemiologe Ralf Reintjes. (bere, gueb, 7.2.2020)