James Turrells Skyspace in Lech von innen

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Der Skyspace auf dem Tannegg

Foto: Lech Zuers Tourismus / BernadetteOtter

Das Messner Mountain Museum in Corones

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Zuerst war James Bond auf dem Schweizer Schilthorn...

Foto: Schilthornbahn AG / Markus Zimmermann

und später in Sölden, wo heute das Museum "007 Elements" steht.

Foto: Bergbahnen Sölden / Rudi Wyhlidal

Hohe Kunst und hohe Berge? Die Kombination wurde nicht erst gestern gefunden. Doch nun setzen immer mehr Tourismusorte eher auf die Zugkraft kultureller Hochkaräter, als sich auf launische Winter zu verlassen. Neben den Pisten locken Installationen und Ausstellungen Gäste in den Kunstschnee – etwa hier:

Lech am Arlberg:

Die Inhaber des Luxuschalets Severins Alpine Retreat bauen auf massives Holz – und auf Werke zeitgenössischer Künstler wie Roy Lichtenstein. Nicht ungewöhnlich für das Millionärsdorf Lech. Moneten und Malerei gehen gern eine prestigeträchtige Allianz ein. Doch auch vor der Hütt’n im Ortsteil Stubenbach warten Überraschungen: Auf dem Tannegg steht seit letzter Saison James Turrells Skyspace.

Also hinein in den Schlosskopfsessellift und von der Bergstation in zehn Gehminuten hinüber zum Tannegg, ein kleiner Gupf, vom Tal kaum erkennbar. Momentan reicht die Schneedecke bis zum Rand der kühnen, kreisrunden Installation. Drinnen sitzt Elfriede aus Karlsruhe. Von der umlaufenden Sitzbank schaut sie hinauf ins Blau, das die ovale Deckenöffnung in den Himmel schneidet. Seit 49 Jahren kommt Elfriede schon nach Lech, den Skyspace besucht sie nun zum fünften Mal. "Die Wirkung ist immer anders, immer inspirierend." Ein Flugzeug düst vorbei, der helle Kondensstreifen formt das ovale Blau zum Malewitsch.

Stall, Kulturraum und Galerie

Über 80 Skyspaces hat Lichtkünstler Turrell weltweit eröffnet. Dass sein – angeblich letztes – Himmelsfenster jetzt hoch über Lech thront, ist Architekt und Hotelbesitzer Gerold Schneider zu verdanken. Der verhalf schon 100 lebensgroßen Eisenfiguren von Bildhauer Antony Gormley zum stoischen Auftritt zwischen Felsen, Hängen und Schnee. Der Name der Kunstinstallation: Horizon Field.

Später initiierte Schneider den Skyspace Lech – für rund 1,5 Millionen Euro, finanziert durch Sponsoren und Spenden. Vielleicht nur ein Marketingtool? "Die Frage stellt sich nicht. Kunst ist Kunst. Punkt!", sagt Schneider, der Philosophie, Kunstgeschichte und Architekturtheorie in Wien studiert hat. Danach führt er durch die Allmeinde Commongrounds, eine Mischform aus Kulturraum, Bibliothek und Galerie, die schon Werke von Erwin Wurm oder Walter Niedermayer beherbergte. "Ein Ort des Austauschs", nennt Schneider den ambitioniert ausgebauten Stall. Aktuell zeigt dieser eine Fotoausstellung von Konrad Rufus Müller. Der hat nicht nur die Großkopferten dieser Welt porträtiert. Mit gleicher Verve und Ernsthaftigkeit lichtete er die "Leute von Lech" ab, Bauern, Gastwirte, Handwerker. Zu sehen im Almhof, seit 1929 im Besitz der Familie Schneider.

Aspen, Colorado:

Auch jenseits des großen Teichs erobert Kunst die Berge. Für seine Aspen Series lud die Aspen Skiing Company wiederholt den Bozener Fotografen Walter Niedermayer nach Colorado ein. Dieser ließ sich von verschneiten Pisten zu poetischen Landschaftsfotografien hinreißen. Die großformatigen Bilder wurden wiederum am Berg ausgestellt. "Art in unexpected places" heißt die preisgekrönte Kampagne des Aspen Art Museum, das wiederum Stararchitekt Shigeru Ban baute. Das Konzept: Schon seit 2005 präsentieren namhafte Künstler ihre Werke an überraschenden Orten.

Kreative richteten Performances mitten im Skigebiet aus, bemalten die Wände des Bergrestaurants Elk Camp mit Streetart, stellten Skulpturen in den Schnee oder entwarfen poppige Motive für die künstlerischen Lifttickets. Raus aus dem Museum, rein in die Natur, so das Motto. Niedermayer setzte mit meditativem Blick den Verlauf verschneiter Pisten in Szene und tupfte die Skifahrer wie flatterhafte Figuren darauf. Ein starker Kontrast zur sezierenden Sichtweise des Fotografen Lois Hechenblaikner, der die entstellte Natur und ihre Zerstörung durch den Menschen mit demaskierender Schonungslosigkeit abbildet. Zwei konträre Ansätze für dasselbe Thema: die Auswirkungen des alpinen Massentourismus.

Schnalstal, Südtirol:

Im Sommer 2020 wird Olafur Eliasson, Superstar der Gegenwartskunst, sein erstes Werk in Südtirol enthüllen. Ein Coup für das langgestreckte Südtiroler Hochgebirgstal, das bisher mit seinem Gletscherskigebiet und der Fundstelle von Ötzi punktete. Doch seit ein paar Jahren ist das Training für all die internationalen Skisportteams nur noch mitten im Winter möglich. Höchste Zeit also, neue Anreize im Schnalstal zu schaffen?

Noch hat das neue Kunst-Baby keinen Namen, doch was es aussagen soll, wurde bereits kommuniziert: Von der Gipfelstation Grawand in rund 3200 Metern Höhe wird sich ein Lehrpfad den Grat entlangziehen, der einen Zeitraum von 2,4 Milliarden Jahren Klimageschichte symbolisieren soll. Eine Meditation über die Zeit, die Umwelt, den Klimawandel, so heißt es. Neun Tore markieren dabei den Beginn und das Ende von fünf Eiszeiten. Am Ende erwartet ein kugelförmiges, sphärisches Gebilde den Besucher, mit Aussicht auf den schwindenden Hochjochferner – ein memento mori für die immer stärker beeinträchtigte Natur. Die Eröffnung ist zur Sommersonnenwende am 20. Juni 2020 geplant.

Vermittelt hat Ui von Kerbl das Projekt, Gründer der Talking Waters Society aus Schnals. "Olafur fand meine Idee sehr interessant, von der Location am Hochjoch ferner aber war er begeistert", sagt Kerbel. Angst vor ausbleibenden Besuchern brauchen die Macher wohl nicht zu haben. Südtirols höchste Seilbahn schaufelt in ihren 80-Mann-Gondeln zuverlässig Skisportler, Wanderer, Höhentouristen zum Alpenhauptkamm hinauf. Und bald auch ein kunstaffines Stadtpublikum.

Überall Museen in Gipfelhöhe:

Auch wenn die Eröffnung des Museums "007 Elements" 3040 Meter hoch über Sölden noch gut in Erinnerung ist: Die Ersten waren die Ötz taler mit ihrem Agentenmausoleum nicht. Schon 2013 widmeten die Schweizer dem legendären Spion die "James Bond World", in 2970 Meter Höhe auf dem Schilthorn bei Mürren. Der Gedanke lag nahe, einige Schlüsselszenen aus dem Film Im Geheimdienst Ihrer Majestät wurden am Schilthorn gedreht.

Museen in Gipfelnähe? Sind ein Zeichen der Zeit. Reinhold Messner hat es mit seinem "MMM Corones" auf dem Südtiroler Kronplatz einmal mehr bewiesen. Den halbversenkten Bau geplant hat Architekturikone Zaha Hadid. Der am Gipfel ebene, 2275 Meter hohe Berg ist auf beinahe allen Seiten von Skiliften umzingelt. Eigentlich fehlt dort oben nur noch eine Megaampel, die all die Menschen ströme fachgerecht leitet und regelt. "Auf dem Gipfel findet man weder Freiheit noch Glück", hat Reinhold Messner einmal gesagt. Dafür aber Kunst vom Feinsten, die Hirn, Horizont und Herz zu öffnen vermag. Das ist doch auch was. (Franziska Horn, 9.2.2020)