Bundeskanzler Kurz und seine Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler wollen am Montag über die Unabhängigkeit der Justiz sprechen.

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Wien – Die Justiz soll mehr Budgetmittel erhalten, um Verfahren künftig schneller führen zu können. Das kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Vorfeld einer Aussprache mit Vertretern der Staatsanwälte an. Bei dem Treffen am Montag geht es um die jüngste Kritik des Kanzlers an angeblichen Defiziten in der Justiz, insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

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Kurz hatte die Behörde bei einem Hintergrundgespräch im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Causa Casinos kritisiert und ihr eine SPÖ-Nähe unterstellt. Am Montag findet nun eine "aktuelle Aussprache" mit den Standesvertretern statt, an der neben dem Kanzler auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) teilnehmen.

Mehr Geld für Verbesserungen bei Verfahrensdauer

"Ich werde die Möglichkeit nutzen, um über Defizite und Verbesserungspotenziale in der Justiz, aber insbesondere im Bereich der WKStA zu sprechen", sagte Kurz. Dabei gehe es ihm vor allem um "überlange" Verfahren. Er erwarte, dass Schuldige möglichst schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, aber dass Personen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, durch lange Verfahren nicht massive Nachteile in ihrem Privat- und Berufsleben erleiden. Um die Verfahren zu beschleunigen, soll die Justiz laut Kurz mehr Finanzmittel bekommen.

Debatte über parteipolitische Schlagseite

Darüber hinaus möchte der Kanzler bei der Aussprache mit den Staatsanwälten darüber reden, "was getan werden kann, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken". Er nannte erneut ein Dokument von 1997, das beweisen soll, dass die SPÖ versucht habe, SPÖ-nahes Personal in die Justiz zu bringen. Die ÖVP hatte den 23 Jahre alten Aktenvermerk eines SPÖ-Treffens zuvor am Wochenende mehreren Medien zukommen lassen. In dem Protokoll wurde festgehalten, dass man "junge Genossinnen und Genossen" dazu "ermutigen" wolle, in den Richterdienst zu gehen. Kurz hatte der WKStA beim Hintergrundgespräch Mitte Jänner eine parteipolitische Schlagseite attestiert.

Selbst in die Kritik geraten war am Wochenende allerdings auch Kanzleramtsministerin Edtstadler. Wie eine STANDARD-Recherche aufdeckte, war sie selbst zwischen 2015 und 2017 der WKStA als Oberstaatsanwältin zugeteilt – mit entsprechender Gehaltsaufbesserung. Dort hat sie aber nie gearbeitet, sondern war als Referentin im Justizministerium tätig. Justizintern spricht man dabei von einem "Mascherlposten". Ein nicht unübliches Vorgehen, mit dem, flapsig gesagt, das festgeschriebene Beamtenentlohnungsschema umgangen wird.

Denn die Voraussetzungen für die Tätigkeit einer Oberstaatsanwältin in der WKStA hätte die heutige Ministerin eher nicht erfüllt: Sie müssen mindestens fünf Dienstjahre als Strafrichter oder Staatsanwälte vorweisen können, besondere Erfahrung in der Führung von Großverfahren und eine wirtschaftliche Zusatzausbildung absolviert haben. Die Ministerin sprach am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" von einem "normalen Vorgang".

Justizvertreter sehen keine SPÖ-Unterwanderung

Auch Edtstadler verwies in der ORF-Diskussionsrunde auf das SPÖ-Dokument von 1997. Dass die Justiz, speziell die WKStA, deshalb rot unterwandert ist, wurde von den anderen Teilnehmern der Diskussionsrunde allerdings zurückgewiesen. Bernd Ziska, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung der Staatsanwälte, meinte, hätte es solche Pläne gegeben, sehe er den Erfolg "wirklich nicht": "Keiner unserer Kollegen würde sich so eine Einflussnahme gefallen lassen." Ähnlich die bisher letzte SPÖ-Justizministerin Maria Berger: "Die Strategie hat es nicht gegeben, oder sie war erfolglos." Sie sei im Ministerium nie auf rote Netzwerke gestoßen.

Walter Geyer war Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und hat für die Grünen auch das Regierungsprogramm verhandelt. Im "ZiB 2"-Interview spricht er über den Einfluss der Politik auf die Justiz.
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WKStA ohne Wirtschaftsagenden "de facto machtlos"

Berger und Mitdiskutantin Beate Meinl-Reisinger (Neos) kritisierten zudem den ÖVP-Plan, der WKStA die Wirtschaftsagenden zu entziehen. Meinl-Reisinger ortet bei der ÖVP den Versuch, über sämtliche Bereiche des Landes die Kontrolle zu erlangen. Für Berger hätte der Verlust der Wirtschaftsagenden wiederum zur Folge, dass die Behörde de facto machtlos würde.

Kurz hingegen glaubt vor der Aussprache am Montag nicht, dass seine Kritik an der WKStA die Unabhängigkeit der Justiz unterminiere. "Es gibt keine Institutionen, die sakrosankt sind. Eine offene und kritische Diskurskultur muss für alle Institutionen gelten." Dass es Defizite gebe, sei nicht abzustreiten. Er nannte als Beispiele die rechtswidrige Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die von der WKStA genehmigt wurde, sowie den inzwischen beigelegten Streit zwischen Strafsektionschef Christian Pilnacek im Justizministerium und der WKStA rund um die Causa Eurofighter. (red, 10.2.2020)