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Lieber wäre ihr gewesen, die Klimakrise hätte die Schlagzeilen gemacht, nicht sie. Aber als die Aktivistin Vanessa Nakate von der Nachrichtenagentur AP als einzig Schwarze aus einem Foto mit Greta Thunberg herausgeschnitten wurde, explodierte das Internet. Ein Fotograf hatte aus fünf Aktivistinnen vier gemacht. Das Vorher-nachher-Bild dazu ging viral. Der Vorfall steht für viel mehr als nur für einen dummen Fehler. Zu Besuch bei Nakate in Kampala, der Hauptstadt Ugandas.

Foto: Standard/Sator

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Der wievielte Journalist ich sei, der sie besuche, frage ich Nakate. "Ich habe aufgehört zu zählen", sagt sie, "es waren zu viele." Die 23-Jährige, leichter Händedruck, schüchtern, lebt mit ihrer Familie in einer besseren Gegend in Kampala. Die Häuser sind mit hohen Mauern und mit Stacheldraht umgeben. Nakates Vater hat einen kleinen Laden, seine Familie ist wohlhabender als die meisten im Land, in dem mehr als 40 Prozent der Menschen extrem arm sind. Das Haus der Nakates ist groß, hat einen Garten und gerade keinen Strom.

Als ich sie treffe, ist der Vorfall am Weltwirtschaftsforum in Davos eine Woche her. In einem Video sagte Nakate damals, sie habe nun zum ersten Mal in ihrem Leben die Definition von Rassismus verstanden. Die Nachrichtenagentur AP entschuldigte sich etwas verspätet dafür, man wolle vom Vorfall lernen, sagte Chefredakteurin Sally Buzbee und kündigte Diversitätstrainings an.

Es sei schade, dass es den Vorfall gebraucht habe, damit ihr Anliegen Gehör finde, sagt Nakate. Immerhin demonstriere sie schon seit einem Jahr für Klimapolitik. Nachdem sie ihr Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen hatte, gründete Nakate in Uganda Fridays For Future. Afrika würde in der globalen Klimadebatte viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sagt sie. "Man könnte ja auch einmal eine Klimakonferenz hier abhalten."

In diesem Licht betrachtet steht der Fall Nakate für viel mehr als nur für einen rassistischen Vorfall oder einen unachtsamen Fotografen. Er ist Symbol für einen Kontinent, der schon heute stark unter den Folgen des Klimawandels leidet, auf dem sich die wenigsten dagegen schützen können – und der in der Debatte trotzdem kaum wahrgenommen wird.

Eine Flut kann einen ugandischen Bauern, der von der Hand in den Mund lebt, ruinieren. Denn anders als bei einem Hochwasser in Österreich ist staatliche Hilfe kaum vorhanden. Familien, deren nächste Mahlzeit vom eigenen kleinen Feld kommt, droht mit Dürren die Hungersnot.

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Die Hauptstadt Ugandas, Kampala.
Foto: Reuters / JAMES AKENA

Dabei ist der Klimawandel in den ärmsten Ländern der Welt, von denen der Großteil in Afrika liegt, zu abstrakt und selten ein Thema. Als ich Nakate frage, wie viele hier bei Fridays for Future mitmachen, beginnt sie laut nachzudenken und Namen aufzuzählen: etwa zehn. Das war's. "Viele haben andere Probleme, die Armut ist sehr groß."

Außerdem ist es in Uganda nicht so einfach zu demonstrieren. Präsident Yoweri Museveni ist seit 1986 durchgehend im Amt und regiert autokratisch. Nach langem Bemühen habe sie von den Behörden einmal die Erlaubnis erhalten, vor dem Parlament in Kampala zu demonstrieren. Damals waren sie zu zweit. "Viele haben Angst vor der Polizei." Meistens steht sie vor Supermärkten, Einkaufszentren, auf Straßen. "Die meisten Leute ignorieren mich einfach", sagt sie, "aber viele lesen auch die Schilder. Das ist ein Erfolg."

Die Prioritäten der Politik im Land sind aber klar. An der Grenze zum Kongo befinden sich die viertgrößten Ölreserven Afrikas. Die Regierung ist erpicht darauf, das Öl schnellstmöglichst zu fördern und ins Ausland zu verkaufen. Ganz Afrika ist nur für zwei bis drei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Die knappe Staatskasse, in der bei weitem nicht genug Geld für Schulen oder Krankenhäuser ist, würde sich freuen.

Es ist ein Widerspruch, vor dem viele ärmere Länder stehen: Sie leiden oft am stärksten unter dem Klimawandel. Je reicher sie aber werden, desto mehr Emissionen verursachen sie selbst. Was tun? "Das Öl sollte im Boden bleiben", sagt Nakate. Es bringe zwar kurzfristig Geld, aber langfristig bleibe nur die Zerstörung, die der Klimawandel anrichte.

Was wünscht sich Nakate von der Weltpolitik? Ein Plastikverbot, einen Stopp der Abholzung von Wäldern und leistbare, erneuerbare Energie für die Menschen im Land. Und: dass die Medien in Europa und der Welt nicht erst wieder afrikanische Stimmen bringen, wenn sie durch einen Rassismusvorfall eine schnelle Schlagzeile wert sind. "Wir wollen repräsentiert sein."

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