Das Flex war das Ziel einer Gruppe junger Menschen, die kurz vor ihrer Ankunft angegriffen wurden. Von wem, kann auch ein Prozess am Straflandesgericht nicht klären.

Foto: Heribert Corn

Wien – "Ich bin schockiert, wie dieses Ermittlungsverfahren durchgeführt worden ist, nämlich ziemlich schleißig", macht Andreas Hautz, Vorsitzender des Schöffensenats im Prozess gegen Garcia S. (Name geändert, Anm.), keinen Hehl daraus, was er von der Arbeit der Polizei in diesem Fall hält. Wenig. Und das aus mehreren Gründen.

Aber der Reihe nach. Der 19-jährige Lehrling ist angeklagt, da er im vergangenen April gemeinsam mit unbekannten Komplizen eine Gruppe Jugendlicher in der Nähe des Lokals Flex am Donaukanal überfallen, beraubt und verletzt haben soll.

Wie dem Anklagevortrag der Staatsanwältin zu entnehmen ist, müssen die Täter ungewöhnlich gewalttätig vorgegangen sein. Die sieben Opfer waren auf dem Weg in das Lokal, als ihnen die andere Gruppe entgegenkam. Hier beginnen schon die Ungenauigkeiten, auf die Verteidiger Andreas Strobl vehement hinweist. Denn wie viele Angreifer es gab, ist unklar: Die Angaben der Zeugen reichen von drei bis zehn Personen.

Erst Bitte, dann Faustschlag

Einer der Täter fragte jedenfalls eines der Opfer zunächst nach einer Zigarette. Als der junge Mann seinem Gegenüber eine Packung hinhielt, erntete er einen Faustschlag ins Gesicht. Die Packung wurde ihm aus der Hand gerissen, dann hagelte es Schläge, Tritte und fliegende Glasflaschen. Insgesamt forderte der Überfall drei Verletzte.

Garcia S., der Angeklagte, beteuert vor dem Senat, nicht daran beteiligt gewesen zu sein. Er habe in der fraglichen Nacht mit seiner Freundin bei deren Mutter übernachtet, da er am nächsten Morgen um sechs Uhr seinen üblichen Standplatz am Flohmarkt beziehen wollte. Zum Beweis hat die Freundin auch einen elektronischen Schriftverkehr mit der Mutter vorgelegt, in dem es um die Übernachtung ging.

Wie ist S. also auf die Anklagebank geraten? Das hat beispielsweise mit seinem Vorleben zu tun, das definitiv nicht ungetrübt ist. Im Alter von 14 bis 17 Jahren sammelte der junge Mann aus Wien-Donaustadt drei Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten und Körperverletzung.

Leben auf die Reihe bekommen

Nach der letzten Verurteilung habe sich sein Leben aber komplett verändert. Sagt nicht nur der Verteidiger, sondern auch der Bewährungshelfer. Er habe sich aus dem negativen Umfeld entfernt, verdient im Baugewerbe im zweiten Lehrjahr je nach Überstunden zwischen 1.800 und 2.400 Euro, seine Freundin erwartet ein Kind.

Was nichts daran ändert, dass die Polizei noch immer seine Bilder hat. Eines davon, auf dem er 14 Jahre alt ist, wurde von den Ermittlern bei der "Lichtbildidentifikation" mit den Überfallsopfern verwendet. Irgendwie kam bei den Befragungen auch der Name "Garcia" ins Spiel, der Hauptbelastungszeuge, der den Angeklagten kennt, soll ihn laut Polizeiprotokoll als den Zigarettenschnorrer identifiziert haben.

Zeuge widerspricht Protokoll

Nur: Das stimmt nicht, wie sich nun vor Gericht herausstellt. "Ich bin gefragt worden, ob ich einen Garcia kenne", erinnert sich der Hauptbelastungszeuge. Nachdem er das wahrheitsgemäß positiv beantwortet hat, seien ihm die Fotos gezeigt worden, auf denen er den Angeklagten identifizierte. Dass S. der Täter sei, habe er aber nie behauptet. Auch die restlichen Opfer, von denen zwei mit S. sogar in die Schule gegangen sind, sind sich ziemlich sicher, dass er nicht unter den Angreifern gewesen sei.

Die logische Folge ist ein rechtskräftiger Freispruch, den Vorsitzender Hautz unter anderem mit den eingangs erwähnten Sätzen begründet. Hautz merkt auch an, dass die Zuordnung der Bilder im Akt zu Personennamen mangelhaft gewesen sei und darüber hinaus ohnehin aus der wissenschaftlichen Literatur bekannt sei, dass die "Lichtbildwiedererkennung" durch Zeugen eine Fehlerquote von 50 Prozent habe. Schon in der Vorbereitung auf die Verhandlung sei für ihn daher ziemlich klar gewesen: "Das kann nix werden, das wird nix werden, das darf nix werden." (Michael Möseneder, 10.2.2020)