Die Shpock-App.

Foto: Shpock

Esteve Jané ist Shpocks CEO.

Foto: Shpock

Das Großraumbüro im fünften Stock des Tech Gate Towers in Wien-Donaustadt erfüllt sämtliche Klischees eines Start-Ups. Dutzende Mitarbeiter brüten vor ihren Laptops. Wer etwas besprechen muss, tut dies an Ort und Stelle und wechselt nicht in einen abgekapselten Raum. Wer sich stärken will, geht an die angeschlossene Küchenzeile, die Getränkeladung ist gerade frisch angekommen. Esteve Jané sieht Shpock (kurz für Shop in your pocket) trotzdem nicht mehr als Start-Up: "Wir sind mittlerweile ein Unternehmen", sagt der CEO der Marktplatz-App zum STANDARD.

Jobabbau 2018

Der Weg bis dahin war mitunter schmerzhaft – aber von vorne: 2012 wurde die Online-Marktplatz-Plattform von der Finderly GmbH, der österreichischen Firma hinter Shpock, in Wien gestartet, 2015 für kolportierte 200 Millionen Euro an den norwegischen Medienkonzern Schibsted verkauft. Ende 2018 dann der Rückschlag, das Ende des Expansionskurses: 80 der damals rund 180 Mitarbeiter mussten gehen. In dieser Zeit übernahm Jané den Chefposten, zuvor hatte er für eine Schibsted-Niederlassung in Barcelona gearbeitet.

Der Einstand in Österreich sei nicht einfach gewesen, sagt Jané, aber letztlich hätte Shpock dasselbe Schicksal getroffen wie viele Start-Ups. "Anfangs geht’s um Wachstum – koste es, was es wolle. Bis zur nächsten Finanzspritze oder zum Verkauf", sagt Jané. Dazwischen herrsche permanent Druck, man habe ja nur jeweils ein paar Monate, um potentielle Investoren vom Projekt zu überzeugen. "Irgendwann rächen sich aber Abkürzungen, die man davor genommen hat", sagt er.

Restrukturierungsphase

Jané sollte Shpock in die Gewinnzone führen, mit Erfolg. Machte das Unternehmen 2017 noch einen Bilanzverlust von 70 Millionen Euro, erreichte man Mitte 2019 erstmals den Breakeven. Zuvor brachte Schibsted, das auch 50 Prozent an Willhaben hält, seine Marktplatzsparte unter dem Namen Adevinta an die Börse Oslo. Aktuell liefere Shpock "stabile Zahlen" – erreicht mit verschiedenen Maßnahmen in der Restrukturierungsphase. Vermehrte Werbungen in der App dienten als rasche Einnahmequelle. Zudem werde vorsichtiger agiert, Experimente erst intern getestet, bevor in der freien Wildbahn ausgespielt. "Weil 90 Prozent von dem, was du vorhast, funktioniert eh nicht". Also lieber kleine Schritte. "Wir haben gelernt, Prioritäten zu setzen", sagt Jané.

Fokus auf Großbritannien

Dafür hat sich Shpock aus Italien, Norwegen und Schweden zurückgezogen, fokussiere sich nunmehr auf den Markt Großbritannien. Deutschland und Österreich seien eine nette Draufgabe. "In Österreich finanziert sich die App weiter über Werbungen", sagt Jané. Jedes Land bedeute zusätzlichen Wartungsaufwand, etwa eine weitere Sprache für die App. Letztere müsse zudem an die kulturellen Unterschiede angepasst werden. Ein Beispiel: "In Schweden sind Skiscooter dermaßen beliebt, dass wir hierfür eine eigene Verkaufsrubrik gebraucht hätten. In Großbritannien wäre diese sinnlos".

In diesem Land sehe er jedoch die Chance auf die Nummer eins unter den Online-Marktplätzen, weil man auf demselben Level wie Konkurrent und Kleinanzeigen-Website Gumtree agiere. Dies sei wertvoller, als in anderen Staaten jeweils die Nummer zwei zu sein. "Als Start-Up peilt man den Verkauf an. Als Unternehmen muss man langfristig denken. Shpock soll’s auch noch in zehn Jahren geben".

Neues Geschäftsmodell

Deshalb wurde im November ein neues transaktionsgebundenes Geschäftsmodell mit Käuferschutz für britische App-Nutzer ausgespielt. Bei einer gelungenen Transaktion schneidet Shpock fünf Prozent vom Verkaufspreis plus 70 Pence mit. Misslingt der Deal, weil etwa die Ware beschädigt ist, wird die Gebühr zurückerstattet. "Dieses Modell wird gut angenommen, weil es eine gewisse Sicherheit bietet. Und es ist im Gegensatz zur Werbung skalierbar", sagt Jané.

Die Suche nach Talenten

In London arbeiten aktuell 18 Leute, Tendenz steigend. Der Brexit mache dem Chef keine Sorgen: "Es kommen vielleicht ein paar neue Gesetze. Aber ansonsten business as usual". Und der dortige Standort biete nun mal Vorteile. "Wenn ich am Freitag eine IT-Stelle ausschreibe, ist sie am Montag besetzt", sagt Jané. In Österreich sei es mitunter schwierig, die geeigneten Leute zu finden, etwa einen Network Advertising Manager. Heutzutage wachse zwar jeder mit einem Smartphone auf, aber Österreich müsse mehr Talente aus dem Ausland anziehen.

Trotzdem schätze er die Stabilität hierzulande, deshalb werde man auch an Wien als Hauptstandort festhalten. "Shpock wird eine österreichische Firma bleiben", sagt Jané. Für ihn könne die heimische Start-Up-Szene durchaus mit anderen Ländern mithalten. "Wenn man eine gute Idee hat, ist Geld kein Problem", sagt Jané, der in den letzten sieben Jahren für Start-Ups in Schweden und Hamburg gearbeitet hatte. Wo Jané Shpock in zehn Jahren sieht? "Als Nummer eins in Großbritannien mit 150 Millionen Euro Jahresumsatz, zweimal größer als der größte Rivale. Unser Plan für Österreich ist, Großbritannien zu erobern".

Bis dahin versprüht auch Wien internationalen Charme: Nicht nur die benachbarte Uno City, sondern auch die 100 Mitarbeiter aus 30 Ländern. In den Mittagstunden füllen sie allmählich die lange Holzbank in der Küche. "Kulturell sind wir ein Start-Up geblieben", sagt Jané und trinkt seinen restlichen Kaffee aus. Was er als letztes bei Shpock gekauft hat? "Eine Kaffeemaschine". (Andreas Gstaltmeyr, 22.2.2020)