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Organisationen fordern, dass die Menstruationsutensilien im Bedarfsfall gratis verteilt werden.

Foto: AP Photo/Mike Stewart

Jeden Donnerstagnachmittag holt Cady für sich und ihre beiden kleinen Söhne bei der Voedselbank eine Kiste mit Nahrungsmitteln ab. Diese "Essensbanken" sind für die Niederländer das, was für die Österreicher die Tafel ist. Auch in Voorschoten bei Den Haag, wo Cady lebt, gibt es eine. Neugierig beugt sich die 32-Jährige über ihre Kiste: "Paprika, Tomaten, Kohlsprossen", beginnt sie aufzuzählen. Frühstücksflocken, Brot, Käse ... "Aber keine Tampons", stellt Cady enttäuscht fest. Die gehören so wie Shampoo oder Deodorant nicht zum Standardsortiment. "Die gibt es nur manchmal – leider."

Denn die alleinerziehende Mutter ist arbeitslos, und weil sie Schulden abbezahlen muss, bekommt sie sogenanntes Wochengeld: Jede Woche sind das 90 Euro. Davon muss sie Lebensmittel, Kleidung und Drogerieartikel kaufen. "Für Extras bleibt da nichts übrig." Manchmal noch nicht einmal für Tampons. "Die hole ich mir dann bei meiner Mutter. Oder der Nachbarin. Aber nur wenn's wirklich nicht anders geht." Einmal habe sie Klopapier benutzt. "Doch das hielt ich nicht lange durch." Da habe sie doch wieder die Nachbarin gefragt, "auch wenn ich mich schämte".

Schock über Periodenarmut

Jede zehnte Niederländerin zwischen zwölf und 25 Jahren hat manchmal nicht genug Geld, um während der Menstruation Hygieneprodukte zu kaufen. Das ergab eine Umfrage der Entwicklungshilfsorganisation Plan International Nederland. Der Anlass dafür war eine ähnliche Untersuchung in Großbritannien, wo ebenfalls rund zehn Prozent der Frauen und Mädchen von dieser sogenannten Period-Poverty betroffen sind. Aber dort seien Hygieneartikel auch viel teurer als in den Niederlanden, sagt Plan-Sprecherin Christa Gray-Nooitgedagt.

In den Niederlanden gilt für Hygieneartikel bereits der niedrige Mehrwertsteuersatz von neun Prozent – so wie für Medikamente. "Dass es diese Periodenarmut trotzdem auch bei uns gibt, hat uns ziemlich schockiert", so Gray-Nooitgedagt. "Wir kennen das Problem vor allem aus Afrika, Asien oder Lateinamerika. Aber doch nicht hier, bei uns."

Die Folge: Viele der betroffenen Frauen und Mädchen melden sich bei der Arbeit krank oder schwänzen die Schule, wenn sie ihre Tage haben. Sie versuchen, sich mit Zeitungspapier oder Stofffetzen zu behelfen, und wechseln Binden und Tampons nicht oft genug. Das könne zu Infektionen führen, so Gray-Nooitgedagt: "Zwei Prozent der Befragten gaben sogar an, Tampons oder Binden wiederzuverwenden, um zu sparen – sie gefährden damit ebenfalls ihre Gesundheit."

Zu ähnlichen Ergebnissen kam "De Bovengrondse", eine selbsternannte feministische Plattform aus Amsterdam: Sie befragte neben 170 Frauen auch 50 Hilfsorganisationen wie die Heilsarmee und die Essensbanken. "Menstruation und Armut sind zwei Themen, über die nicht gerne gesprochen wird", sagt Projektleiterin Lorijn de Boer. "Deshalb konnte das Problem auch so lange unerkannt bleiben. Eigentlich geht es um ein doppeltes Tabu."

Vorbild Schottland

De Bovengrondse setzt deshalb auf Aufklärungskampagnen an Schulen. Sie hat die Regierung in Den Haag aufgerufen, weitere Untersuchungen durchzuführen. Die Sozialdemokraten haben im Parlament bereits entsprechende Fragen gestellt.

Außerdem wurde zu einer großen Spendenaktion aufgerufen. Mit dem Geld sollen 800 bedürftige Frauen in Amsterdam ein Jahr lang gratis mit Hygieneartikeln versorgt werden. Inzwischen gibt es Spendenaktionen dieser Art im ganzen Land, organisiert von Frauen, die sich solidarisch zeigen wollen.

Die wichtigste Forderung: Die Kommunen sollen dafür sorgen, dass Tampons und Monatsbinden gratis verteilt werden – in Schulen, Bibliotheken, Essensbanken und Obdachloseneinrichtungen. Das Vorbild ist Schottland. Dort stellen Universitäten und Schulen den Frauen und Mädchen seit rund einem Jahr Hygieneprodukte – genauso wie Toilettenpapier – kostenlos zur Verfügung. Cady, die junge Mutter aus Voorschoten, traut ihren Ohren nicht, als sie das hört: "Wow! Ist das wirklich wahr?" Das würde sie sich auch wünschen. (Kerstin Schweighöfer aus Voorschoten, 11.2.2020)