Der Versuch, eine begehrte Person mittels Zauberei an sich zu binden, ist mutmaßlich überall dort zu finden, wo Magie Teil der Weltdeutung ist. Schriftlich belegt ist Liebeszauber jedenfalls in der Antike. Bereits Lykurg (8. Jh. v. Chr.) und Solon (7. Jh. v. Chr.) hätten diese Art der Beziehungsanbahnung verboten, berichtet der römische Philosoph Seneca im 1. Jh. n. Chr. Einschlägige Getränke mit pharmakologisch fragwürdiger Wirkung sind in der römischen Antike ebenso bekannt wie verboten. Der Terminus lautet veneficium amatorium, das heißt Giftmischerei in Liebesdingen. Mittelalterliche Bußbücher und Prediger wie Burkhart von Worms (10./11. Jh.) und Berthold von Regensburg (13. Jh.) wettern gegen Liebestränke – immerhin verbindet sich hier die Sünde der Zauberei mit jener der Unkeuschheit.

Liebeszauber wird auch immer wieder als Motiv für Probleme der Mächtigen des Mittelalters genannt: Ludwig X. von Frankreich soll 1316 an einem Liebestrank aus Kröten und Schlangenpulver, den ihm Mathilde von Artois verabreicht hatte, gestorben sein. Und im Jahr 1016 kam ein Erzbischof in Stiefeln, die eine in ihn verliebte Stiftsdame verzaubert hatte, "auf Abwege", wie das "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" nicht ohne Augenzwinkern vermerkt: Kaum hatte er die Stiefel an, musste er zu besagter Dame eilen, obwohl er, seinem geistlichen Stande entsprechend, dies natürlich gar nicht wollte.

Etwas vom Eigenen in den Leib des Anderen 

Der Vorwurf des Liebeszaubers gehört auch zum Standardrepertoire im "Hexenhammer" (1487). Ein ganzes Kapitel ist dem Thema gewidmet und beinhaltet so aufwühlende Tatsachenberichte wie den folgenden: "Wir kennen ein altes Weib, das nacheinander drei Äbte, wie alle Brüder des betreffenden Klosters bis auf den heutigen Tag laut und offen berichteten, nicht nur in solcher Weise behexte, sondern auch tötete. (…) was sie selbst auch offen eingesteht: 'Ich habe es getan und tue es noch; und sie werden nicht von der Liebe zu mir lassen können, denn sie haben so viel von meinem Kote gegessen.'"

Diese wenig appetitlich anmutende Zutat für einen offenbar sehr wirksamen Liebeszauber entspricht einem Grundprinzip, das Walter Brunner in seinen Vorbemerkungen zum Kapitel "Liebeszauber – Liebestrank" in seiner Sammlung "Steirische Sagen von Hexen und Zauberei" als Versuch bezeichnet "etwas vom eigenen Ich dem andren in oder an den Leib zu bringen, es in Speise und Trank zu mischen." Als solche "Teile vom eigenen Ich" werden sehr konkret Haare, Blut, abgeschnittene Nägel, aber auch Urin oder das Badewasser beziehungsweise Wasser, in dem die Kleidung gewaschen wurde, empfohlen. Diese werden dem Subjekt der Begierde in Nahrung oder Getränke gemischt.

Zutaten für Liebeszauber sind zum Beispiel Haare, Urin oder Pflanzen.
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Daneben gibt es eine Unzahl an tierischen und pflanzlichen Mitteln, die ebenfalls dem Menschen, dessen Interesse erweckt werden soll, zur Konsumation untergejubelt werden: Liebstöckel, Alraune, Knabenkraut, Hanf, Efeu … oder aber (nicht vegan) Fledermausteile, Luchsherzen, Wolfsfüße, Katzenherzen und natürlich Frösche und Kröten in fast jeder Form. Neben dem Verzehr können diese auch in magische Objekte wie Liebesamulette und -gürtel eingeschlossen werden.

Es geht um Macht und Unterwerfung, nicht um Liebe

Einen sehr klaren Einblick in die Beziehungsvorstellungen, die dem Liebeszauber zugrunde liegen, vermitteln jene Formen, die den/die potentielle Geliebte/n mit einem Haustier vergleichen: So wie ein Hund soll auch die begehrte Person dadurch an das Haus gewöhnt und gebunden werden, dass ihr Haarbüschel im Haus versteckt wird oder sie vom Besitzer vorgekautes Brot zu essen bekommt. Oder aber, er oder sie bekommt Wasser zu trinken, von dem ein aufgezäumtes Pferd getrunken hat.

Liebeszauber, und hier ist das sonst mitunter etwas antiquierte "Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens", überraschend aktuell, haben nichts mit Liebe, sondern mit Unterwerfung und Macht über jemanden zu tun: "Der Liebeszauber dient dem Wunsch, den Liebeswillen eines anderen zu beeinflussen, zu fesseln, zu vergewaltigen (…) um auf ungeradem Wege Gewalt über fremdes Leben zu erlangen."

Zur Liebe laufen

Das zeigt sich auch sehr deutlich in den steirischen Sagen. Die in den Sammlungen von Karl Haiding und Walter Brunner aufgenommenen Beispiele für Liebeszauber beschränken sich auf eine sehr spezielle Form, nämlich das "Hersieden". Bei diesem Zauber wird eine bestimmte Pflanze gekocht, und sobald das Wasser mit dieser Pflanze darin zu sieden beginnt, muss die begehrte Person zu laufen beginnen und kann nicht aufhören, bis sie bei der Köchin gelandet ist. Die Geschlechterrollen sind hierbei klar verteilt: Eine Frau setzt den Liebestrank auf, der gewünschte Mann muss zu ihr eilen. In der ersten Sage wird wilder Thymian, hier als Kuttelkraut bezeichnet, von einer Sennerin nahe Mariazell eingesetzt: "(…) sooft sie sich einbildete, dass er zu ihr kommen müsse, überfiel es ihn mit Gewalt. (…). Sobald es [das Wasser] aber zu sieden begann, musste der Mann – ganz gleich wo er gerade war – zu gehen und zu rennen beginnen, bis er bei ihr war."  

Nicht um Liebe geht es bei den Zaubern, sondern um Macht und Sex.
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In der zweiten Sage, die eigentlich mehrere kurze Erzählungen zum selben Thema beinhaltet, sind es zwei namentlich genannte Kräuter, die zum Einsatz kommen: "Sigrea", eine steirische Verballhornung des deutschen "Singrün", besser bekannt als kleines Immergrün. Für die zweite Pflanze mit dem Namen "Weißlärcha" hat die Autorin keine botanisch korrekte Bezeichnung ausfindig machen können – die STANDARD-Leserschaft ist herzlich eingeladen, weiterführende Informationen zu teilen.

Tödliche Trennungen

Doch weiter in der steirischen Sage aus dem Mariazeller Land: Der "hergesottene" Mann wird der Beziehung überdrüssig und sucht Abhilfe. Diese wird ihm durch einen alten Köhler zuteil, allerdings auf sehr brutale Art: Der Holzknecht erhält eine "Schmiere", mit der er einen "Holzprügel" einreiben muss, sobald er wieder den Drang verspürt, laufen zu müssen. Dieser Holzstock fliegt dann tatsächlich der besagten Sennerin entgegen und "stieß sie zu Tode". Ähnliches Vorgehen wird auch von einem anderen Mann erzählt, der an seiner Stelle einen "Sautrog" zu seiner Geliebten schickt: "Der Trog hat sich auch gleich gerührt, die Klampfen haben ihn nicht mehr gehalten und fortgewalgen [= gegangen] ist der hinauf auf die Alm und hat droben die Prentlerin [= Sennerin] erdrückt."

Diese doch sehr brachiale Form der einseitigen Aufkündigung einer Beziehung wird zumindest ein wenig verständlicher, wenn man sich das Schicksal eines Mannes vor Augen hält, von dem in derselben Sagensammlung berichtet wird. Dieser kommt durch die Unachtsamkeit der Liebestrankköchin zu Tode, da sie mit den Kühen beschäftigt ist und der Trank zu stark zu sieden beginnt, was den Herbeigezwungenen derart laufen lässt, dass er im steilen Gelände zu Tode stürzt. Doch damit nicht genug:  Er muss noch "als Leich zu seiner Liebsten zugewalgen".

Vom Nachkochen solcher Tränke zum Eigengebrauch ist also tendenziell abzuraten – der biedere Blumenstrauß zum heutigen Tag ist eine ungefährliche Alternative und sieht auch schön aus. (Theresia Heimerl, 14.2.2020)

Theresia Heimerl ist ao. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz und Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark.

Hinweis: Dieser Beitrag ist Teilergebnis eines Publikationsprojektes zu "Steirische Sagen in religionswissenschaftlicher Perspektive", das von Theresia Heimerl und Peter Wiesflecker herausgegeben wird und im Sommer 2020 erscheint.

Literaturhinweise

Brunner, Walter: Steirische Sagen von Hexerei und Zauberei, Graz: Leykam 1987, hier die Sagen mit den Nummern 291 und 292.

Haiding, Karl: Volkssagen aus der Steiermark, Graz-Wien: Leykam 1982, hier die Sage Nr. 137.

Kummer, Bernhard: Art. Liebeszauber, in: Beth, Karl: Schadenzauber, in: Bächtold-Stäubli (Hg.), Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens. 5, Berlin/New York: de Gruyter 32000, 1279–1297.

Sprenger, Jakob / Institoris, Heinrich: Der Hexenhammer. Aus dem Lateinischen übertragen und eingeleitet von J.W.R. Schmidt, München: dtv 61987.

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