Netanjahu pflanzte am Montag symbolträchtig einen Baum im Westjordanland.
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Kaum war der "Deal des Jahrhunderts" verkündet, konnte es Benjamin Netanjahu nicht schnell genug gehen: In der nächsten Kabinettssitzung werde er für eine Annexion von Territorien werben, sagte der israelische Premier, kurz nachdem US-Präsident Donald Trump Ende Jänner seinen Plan zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikt vorgestellt hatte. Doch überraschenderweise schien er sein Versprechen nicht mit den Amerikanern besprochen zu haben, die vor unilateralen, übereilten Schritten warnten. Nun musste der Premier zurückrudern und seine Annexionspläne bis nach der Wahl Anfang März verschieben: "Wir werden das mit dem Einverständnis der Amerikaner tun."

Der Trump'sche Plan sieht vor, dass Israel seine umstrittenen Siedlungen im Westjordanland sowie das strategisch bedeutsame Jordantal zum Staatsgebiet machen kann. Diese Gebiete umfassen etwa ein Viertel des Westjordanlands – jenes Gebiets, das die Palästinenser zusammen mit Gaza als Territorium ihres zukünftigen Staates betrachten. Im Gegenzug sieht der Plan vor, den Palästinensern Gebiete nahe dem Gazastreifen an der israelisch-ägyptischen Grenze zuzuschlagen.

Verhandlungen ausgeschlossen

Dass es dazu je kommen wird, ist höchst unwahrscheinlich: Die Palästinenserführung hat den Plan empört abgelehnt und jegliche Verhandlungen darüber ausgeschlossen. Das Vorhaben stelle die "legitimen Rechte der Palästinenser" infrage, sagte Präsident Mahmud Abbas am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat. Vonseiten der Trump-Regierung steht jedoch einer israelischen Annexion der Siedlungen auch ohne Zustimmung der Palästinenser nichts im Wege – sofern die israelische Regierung sich mit den USA koordiniert. Derzeit erarbeitet ein israelisch-amerikanisches Komitee die Details einer Annexion. Ein Prozess, der wohl mehrere Monate dauern könnte.

Netanjahu gerät nach seiner Kehrtwende nun unter Druck von seinen rechten Koalitionspartnern. "Ich rufe den Premierminister dazu auf, mithilfe einer sofortigen Abstimmung Souveränität über Judäa und Samaria auszuüben", schrieb Verteidigungsminister Naftali Bennet, Vorsitzender der "Neuen Rechten", auf Twitter. "Judäa und Samaria" – das ist der biblische Name für das Westjordanland. Linke Politiker wiederum warnen vor dem Vorhaben: "Annexion bedeutet das Ende des zionistischen Traums von einem demokratischen Staat mit einer soliden jüdischen Mehrheit", schrieb Yair Golan, einst stellvertretender Armeechef und heute Politiker des linken Parteienbündnisses "Demokratische Union", am Dienstag in der israelischen Zeitung Globes.

Oppositionsführer Benny Gantz, Chef der zentristischen Blau-Weiß-Partei, wählt den Mittelweg: Er befürwortet die Annexion des Jordantals, allerdings "in Koordination mit der internationalen Gemeinde" – eine rein theoretische Option, da die meisten Staaten eine Verhandlungslösung mit den Palästinensern fordern.

Aus diesem Widerspruch versucht Netanjahu für den Wahlkampf Kapital zu schlagen: Nur er könne eine Annexion durchsetzen. Bisher scheint die Botschaft nicht zu zünden: In Umfragen liegt Blau-Weiß vor Netanjahus Likud. (Mareike Enghusen aus Tel Aviv, red, 11.2.2020)