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Rock-Dinosaurier: Guns N' Roses' Frontmann Axl Rose letztes Jahr bei einem Konzert in Texas.

Foto: Jack Plunkett/Invision/AP

Wer dieser Tage an Wiener Plakatwänden vorüberhuscht, wird seine Vorfreude schwerlich zügeln können. Die wunderbaren Rocker von Guns N’ Roses haben für Juni ihr Kommen avisiert. Gestandene Babyboomer können ein leises Schmunzeln kaum unterdrücken. Axl Rose und seine tätowierten Freunde sind noch immer Götter: von ewiger Jugendfrische, höchstens in Stunden stiller Selbstbesinnung mit der Aufnahme von Nektar und Ambrosia durch die Nasenscheidewände befasst.

Doch früher, in den weltoffenen Jahren der Kreisky-Ära, waren die Götter höher, größer und hatten mächtigere Verstärkertürme. Der Autor dieser Zeilen schloss gerade die Unterstufe des Gymnasiums ab, als die Frohbotschaft an sein Ohr drang, Led Zeppelin würden in der Stadthalle die Trommelfelle erschüttern.

Saft am Bein

Led Zeppelin! Brunftschreie! Doppelhalsgitarren! Schlagzeugsoli, die länger dauerten als Nationalratsdebatten! Sänger Robert Plant wünschte sogar, so lange gequetscht zu werden, bis ihm der Saft das Bein herunterlaufe. Ich hielt dieses Anliegen für verrucht, aber berechtigt. Irgendwo muss man ja mit der Verwirklichung der Arbeitsteilung anfangen! Das Konzert selbst entpuppte sich als Abschiedssymphonie. Man wohnte nicht ohne Andacht dem Aussterben einer Saurierrasse bei.

Vier schlappe Nummern lang hielt sich das Luftschiff oben. Gitarren-Gott Jimmy Page hatte wohl zu ausgiebig dem Nektar zugesprochen: Ein Knallkörper explodierte, er krachte mitsamt seinem Hocker auf die Bühne – und ward fortan nicht mehr gesehen.

Die Saallichter gingen an. Ich torkelte verwirrt hinaus in die Rudolfsheimer Nacht. Sollten am Ende doch die Punkrocker recht behalten haben? War alles Gute, Wahre und Langhaarige endgültig zum Untergang verurteilt? Noch in derselben Nacht betrachtete ich insgeheim die Sicherheitsnadeln im Nähkorb meiner Mutter. Doch schließlich schüttelte ich den Kopf.

Eineinhalb Jahre später erlebte ich Motörhead, die lauteste Band der Welt, im Plüsch des Londoner Hammersmith Odeon. Über meinen restlichen Englandaufenthalt legte sich eine Tuchent aus Stille. Led Zeppelin aber waren zu dem Zeitpunkt bereits mausetot. (Ronald Pohl, 12.2.2020)