Offene Küche, hochklassiges Essen, knappe Preise: Im Birdyard gibt es das – und großartige Cocktails dazu.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Vor etwas mehr als zwei Jahren war an dieser Stelle schon vom Birdyard der Brüder Yong und Feng Liu zu lesen und davon, weshalb das damals neue Restaurant "fast zu gut" für Wien sei.

Die Betreiber des Mama Liu in der Gumpendorfer Straße hatten sich damit eine verdammt hübsche Cocktailbar geschaffen und ein Restaurant, mit dem sie zuallererst sich selbst, aber auch der Stadt ein Restaurant nach ihrem Geschmack schenken wollten: mit richtig hochklassigem Essen von einem jungen Team gewitzter Köche um genau so wenig Geld, wie das in London, Barcelona, Paris oder Kopenhagen (bei x-fachen Quadratmeterpreisen!) schon längst zum guten Ton gehört – und nur in Wien noch immer kein Thema war.

Mit Henri Diagne und Max Hauf hatten die beiden genau solche Könner an der Hand, die mit Weltläufigkeit, Schmäh und luxuriösen Grundprodukten ganz fantastisches Essen aus der offenen Küche schickten. Irgendwie waren all die Tauben, Langustinen und Tartares von der extraalten Milchkuh aber doch zu exklusiv, um zu Kampfpreisen weit diesseits der 20 Euro an die Tische geschossen zu werden.

Verspielt und souverän

Also vertschüssten sich die Könner schon nach wenigen Monaten und ließen Sous-Chef Norbert Györfi ganz allein zurück. Der hat zwar auch bei Sterneköchen in Deutschland und Ungarn gelernt, so ganz allein war dieselbe Qualität jedoch nicht mehr zu gewährleisten.

Seit einigen Monaten aber ist mit Alexander Royer ein zweiter Top-Mann an seiner Seite – und plötzlich ist das Birdyard wieder genau so ein Lokal, wie man es in der Stadt viel zu selten findet.

Die Karte wechselt häufig, die Kreationen sind verspielt, aber souverän abgeschmeckt, die Preise erschütternd niedrig gehalten: Mehr als 16,90 Euro wird man für ein Hauptgericht nicht zahlen. Aktuell gibt es dafür (siehe Bild) vier prächtige Jakobsmuscheln, knapp gegrillt und in einer fantastischen Nage mit Wakame-Algen badend, die wagemutig wie schlüssig mit einem knusprig-mürben Käsetartelette samt Kräutern und Rauchforelle kombiniert werden: freches, kosmopolitisches Essen mit Witz, souverän ausgeführt.

Vier prächtige Jakobsmuscheln als Hauptgericht.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Aber schön der Reihe nach: Hendlterrine mit zart-rauchiger Creme vom roten Paprika und Salat aus Gurken- und Melonen-Spaghetti kommt als lauwarmer Quader zu Tisch, wunderbar saftig, das Gemüse ein frischer, knackiger Kontrapunkt.

Gegrillter Chicorée wird mit fruchtiger Säure versehen und mit in Rote-Rüben-Saft marinierten Birnen, Carpaccio von der roten Rübe und Shiso kombiniert – eine Idee zu kühl serviert, dessen ungeachtet aber ein vegetarischer Gang von großer Eleganz.

Unbekümmert

Knusprig gebratene Filets vom Wolfsbarsch kommen auf einem fantastisch vielschichtigen roten Bohnencurry zu liegen, dazu gibt es Kräutersalat mit Mango, jungem Zwiebel und Bell Pepper, da weiß man gar nicht, wohin mit der Fülle an Aromen – sehr unbekümmert, wunderbar erfrischend.

Entenbrust wird endlich einmal nicht sous-vide gegart, sondern kernig, knusprig, auf den Punkt gegrillt, dazu gibt’s wolkig leichtes Pastinakenpüree, gebratene Austernpilze mit Trüffel-Oliven-Tapenade und mariniertem Fenchel – auch hier fällt die Freude auf, mit der sich die Küche dem Gemüse widmet.

Fürs Hinterher muss trotz der Verlockung, sich angesichts solch paradiesischer Preisgestaltung vorab anzuessen, Platz sein. Allein der Bratapfel, einerseits würzig geschmort, anderseits zu fantastisch aromatischem Eis gefroren, mit eingelegten Zwetschken, köstlich würzigen Petersilbröseln und einer Sauerrahmperle kombiniert, ist einfach zu gut, um sich nicht von ihm betören zu lassen.

Die Weinkarte ist schmal, umso mehr lohnt es sich, bei den Weinkühlschränken auf dem Weg zur Bar nach dem einen oder anderen Schatz (Klevner 2014 von Hartmut Aubell!) zu stöbern. (Severin Corti, RONDO, 14.2.2020)


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