Foto: APA/KERSTIN SCHELLER

Es mag ein Ablenkungsmanöver von Sebastian Kurz gewesen sein, als der Kanzler nach dem geleakten Hintergrundgespräch und der Justizschelte plötzlich lange Verfahrensdauern bei den Staatsanwaltschaften anprangerte. Das klang objektiver und harmloser als der verwegene Versuch, der Korruptionsstaatsanwaltschaft eine linke Schlagseite zu unterstellen. Wie auch immer Kurz zu dem Thema gelangte: Der ÖVP-Chef hat völlig recht, wenn er die Situation anprangert. Allerdings sollte er dann die Rolle des seit gut einem Jahrzehnt schwarz/türkis geführten Justizministeriums in den Mittelpunkt stellen.

Dass die Verfahren in Österreich zu lange dauern, ist eine ziemliche Untertreibung. Die aktuelle Debatte dreht sich ja nicht um Hühnerdiebe, sondern um schwere Wirtschafts- und Korruptionsdelikte, vielfach mit einem Bezug zur Politik. Wenn eine Justiz bei derart vorrangigen Causen wie Buwog, Eurofighter oder Meinl nicht in der Lage ist, die Fakten in angemessener Zeit zu ermitteln und zu bewerten, dann hat sie ein echtes Problem. Es geht hier um nicht weniger als um die Hygiene der Republik, Rechtsstaatlichkeit und somit um einen Pfeiler der Demokratie.

Gerichtssaal in Steyr
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Bei der Eurofighter-Beschaffung, bei der eine Verwicklung des Staatsapparats in unsaubere Geschäfte im Raum steht, glänzen die involvierten Behörden eher durch gegenseitige Anschuldigungen als durch effiziente Aufarbeitung. Besonders eindrücklich wurden die schleppenden Ermittlungen erst vor wenigen Tagen aufgezeigt, als Airbus "politische Provisionen" im Rahmen des Austro-Eurofighter-Deals in einem US-Verfahren eingestand. Und in Österreich? Greifbare Ergebnisse sind hierzulande nicht bekannt.

Mosaiksteinchen des Gesamtbildes

Wenn in clamorosen Fällen wie eben Eurofighter länger als zehn Jahre ermittelt wird, stellt sich natürlich die Frage, woran das liegt. Verzögerungen durch die Gegenwehr der Beschuldigten sind nicht von der Hand zu weisen, stellen aber nur ein Mosaiksteinchen des Gesamtbildes dar. Auch die schlechte personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften mag eine Rolle spielen. Doch bevor jetzt im großen Stil Ermittler angeheuert werden, sollten die Abläufe hinterfragt werden. Hier lassen einige Causen tief blicken. Zu viele Fälle zeigen, wie sich Behörden gegenseitig blockieren. Ein Meinl-Teilkomplex – die Sachdividende – wurde beispielsweise fünf Jahre lang zwischen Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwaltschaft, Ministerium und Weisungsrat hin- und hergeschickt. Das Vorhaben wurde zum Fiasko: Die Anklage scheiterte vor zwei Jahren – und das zum zweiten Mal. Andere Fälle zeichnen ein sehr ähnliches Bild.

Podcast: Was Kurz mit dem Angriff auf die Justiz bezweckte.

Neben den Berichtspflichten spielen Dienstbesprechungen eine große Rolle. Was ziemlich langweilig klingt, hat Potenzial zu Steuerung der Verfahren in eine bestimmte Richtung, ohne eine Weisung erteilen zu müssen. Staatsanwaltschaften sind schon auf dem Papier nicht unabhängig. Durch die "Koordinierung" einzelner Ermittlungsschritte wird auch ihre Selbstständigkeit deutlich eingeschränkt. Ministerium und Oberbehörde nehmen die Staatsanwaltschaft an die kurze Leine – Tendenz: steigend.

Ob zu Recht oder zu Unrecht, weiß man nicht. Zur Bewertung fehlen die Fakten. Klar ist hingegen: Im seit elf Jahren von der ÖVP geprägten Justizsystem läuft einiges schief. Mehr Personal kann die strukturellen Mühlsteine nicht beseitigen. (Andreas Schnauder, 11.2.2020)