Die Infektionsdiagnose per Kaugummi soll nächstes Jahr erhältlich sein, wenn bei den klinischen Tests alles klappt.

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Die Idee könnte Zukunft haben: Wer eine sich anbahnende Infektion zu spüren glaubt, muss nur kurz einen Spezialkaugummi kauen, um Gewissheit zu erlangen. Entwickelt dieser einen bitteren Geschmack, weist dies auf die Vermehrung unerwünschter Bakterien hin. Was hier reichlich futuristisch klingt, soll demnächst Marktreife erlangen.

Vor allem für Menschen, die ein Zahnimplantat im Kiefer sitzen haben, ist diese Entwicklung von Vorteil. Wie Untersuchungen zeigen, bildet sich bei ungefähr sechs bis fünfzehn Prozent von ihnen eine so genannte Peri-Implantitis. Schuld daran sind Bakterien: Sie infizieren das Gewebe rund ums Implantat und sorgen für eine Entzündung, die zunächst das weiche Gewebe und dann den Knochen zerstört. Wenn der Kaugummi diese Komplikation ankündigt, kann der Zahnarzt das Krankheitsgeschehen schon in einem sehr frühen Stadium beeinflussen.

Viele Krankheiten per Kaugummi erkennen

Der medizinische Kaugummi soll aber einmal noch viel mehr vermögen: Geht es nach den Entwicklern, kann das Produkt in Zukunft auch andere Krankheiten zu einem frühen Zeitpunkt anzeigen – beispielsweise eine Parodontitis, eine Mandelentzündung, Scharlach, Influenza oder letztlich sogar sämtliche Krankheiten, bei denen sich Erreger im Speichel nachweisen lassen, wie Lorenz Meinel erklärt. Der Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat gemeinsam mit Jennifer Ritzer und seinem Team das neue Diagnosemittel entwickelt.

2011 hat Meinel mit der Arbeit an dem Kaugummi angefangen. Dass es gut zehn Jahre bis zum akuellen Produkt gedauert hat, sei nicht wirklich lange. "Für die Entwicklung eines Medizinprodukts waren wir eher schnell", so der Pharmazeut. Dass der Kaugummi tatsächlich in absehbarer Zeit in Apotheken erhältlich sein wird, darum kümmert sich Heinrich Jehle als geschäftsführender Gesellschafter des Biotech-Start-ups 3a-diagnostics GmbH. Bis zur endgültigen Marktreife wird es seiner Einschätzung nach noch zwölf bis 15 Monate dauern. Die ersten Studien am Patienten sollen noch in diesem Jahr im Universitätsklinikum Würzburg sowie an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie laufen.

Bakterien machen den Kaugummi bitter

Tatsächlich hat der Kaugummi-Sensor seine Wirksamkeit bisher nur im Reagenzglas am Speichel von Patienten bewiesen; die Erprobung im Mund steht noch aus. Ein Scheitern in diesem Stadium hält Jehle allerdings für unwahrscheinlich. "Ich bin zuversichtlich, dass es klappt. Wenn ich es nicht wäre, hätte ich das Projekt nicht angefangen", sagt er.

Das Prinzip dieses Produkts ist leicht erklärt: Der Kaugummi dient als Trägersubstanz, in den ein löslicher Film mit einer spezifischen Peptidkette aus Aminosäuren sowie ein Bitterstoff eingearbeitet sind. Die Peptidkette ummantelt diesen Bitterstoff und verhindert so, dass die Zunge ihn von Anfang an schmecken kann. Erst wenn krankheitsspezifische Enzyme einer bakteriellen Entzündung im Speichel vorhanden sind, trennen diese die Peptidkette vom Bitterstoff ab. Von diesem Moment an wird jeder, der den Kaugummi kaut, einen deutlich bitteren Geschmack wahrnehmen. Sind keine Bakterien vorhanden, bleibt der Geschmack neutral. (red, 11.2.2020)