Die Ära der faltbaren Smartphones hat – freundlich formuliert – nicht gerade den besten Start hingelegt. Nach schwerwiegenden Hardwareproblemen musste Samsung den Marktstart seines Galaxy Fold um mehrere Monate verschieben, doch selbst die überarbeitete Variante hat längst nicht alle Zweifler überzeugt. Nun liefert Samsung sein Zweitwerk unter den Foldables – das Galaxy Z Flip. DER STANDARD konnte sich dieses im Rahmen eines Presseevents in London bereits kurz ansehen.

Das Galaxy Z Fold ist Samsungs zweiter Versuch mit faltbaren Smartphones.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Disclaimer

Bevor es losgeht, aber noch zwei wichtige Hinweise. Zunächst: Das Hands-on fand in einem zeitlich und örtlich stark begrenzten Rahmen statt. Insofern ist all das Folgende wirklich nur als erster Eindruck zu verstehen. Zentrale Punkte wie Akkulaufzeit oder Kameraqualität lassen sich erst nach einer längeren Prüfung wirklich beurteilen. Zudem soll sich der vorliegende Bericht ganz auf die subjektiven Erfahrungen konzentrieren, da die Spezifikationen des des Galaxy Z Flip bereits an anderer Stelle ausführliche Würdigung erfahren haben. Wer diese wissen will, sei also auf den Vorgängerartikel verwiesen.

Nostalgie

Wer das Galaxy Z Flip zum ersten Mal in die Hand nimmt, fühlt sich sofort an die Zeit vor den Smartphones erinnert: Ein "Clamshell"-Design haben damals viele Geräte verwendet, mit dem Aufstieg von faltbaren Displays feiert dieser Ansatz nun eine Wiederauferstehung – nur eben in einer modernisierten Variante. War dereinst das Display nur auf einer Hälfte des Geräts zu finden, nimmt es nun die gesamte Innenseite ein.

Das Galaxy Z Fold im ausgeklappten Zustand.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Ausgeklappt präsentiert sich das Galaxy Z Flip ähnlich wie ein konventionelles Smartphone: Der 6,7-Zoll-Bildschirm mit einem Seitenverhältnis von 21,9:9 unterscheidet sich nur leicht von anderen aktuellen Topgeräten – er ist lediglich eine Spur länglicher. Die Auflösung liegt dabei zwar "nur" bei 2.636 x 1.080 Pixel, der Bildqualität tut dies aber kaum einen Abbruch, sie ist einmal mehr sehr gut – wie man es von Samsung-Displays gewohnt ist. Der wahre Unterschied zeigt sich erst, wenn man das Gerät zusammenklappt. Dann wird es zwar kleiner, aber auch deutlich dicker – mit bis zu 17 Millimeter. Trotzdem überrascht im Kurztest, wie kompakt das Gerät damit ist und wie gut es sich für die Hosentasche eignet. Von dem doch recht massiven Galaxy Fold ist man damit jedenfalls meilenweit entfernt.

Glas statt Kunststoff

Als eine zentrale Verbesserung gegenüber dem Galaxy Fold verweist Samsung auf die Nutzung eines neuen, ultradünnen Spezialglases statt einer Kunststofffolie zum Schutz des Displays. Ob das Galaxy Z Flip damit weniger für Kratzer anfällig ist als der – indirekte – Vorgänger, muss sich natürlich erst zeigen. Trotzdem ist der erste Eindruck durchaus erfreulich. Das von Samsung selbstentwickelte Glas stellt nämlich in einer anderen Hinsicht einen erheblichen Fortschritt dar: Es ist ebenmäßiger als der Kunststoff, wodurch die beim Galaxy Fold störenden Verwerfungen entfallen.

Wie beim Galaxy Fold bleibt auch beim Galaxy Z Flip ein kleiner Abstand zwischen den beiden Bildschirmhälften – auch wenn er beim neuen Gerät erheblich kleiner ausfällt.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Weiter deutlich spürbar ist hingegen jener Bereich, unter dem das Scharnier angebracht ist. Diese Kante mag zwar nicht ganz so ausgeprägt wie beim Galaxy Fold sein, sie stört aber weiterhin. Ein wichtiger Unterschied ist allerdings, dass dieser Übergang jetzt horizontal verläuft, was Vor- und Nachteile birgt. Im Gegensatz zum größeren Modell merkt man diesen Übergang also nicht bei seitlichen Gesten, dafür könnte er beim Scrollen unangenehm auffallen. Außer natürlich man gewöhnt sich daran, dafür nur den unteren Bildschirmbereich zu verwendet, der ohnehin leichter mit dem Daumen zu erreichen ist. Im Endeffekt ist es also nicht zuletzt eine Frage der eigenen Gewohnheiten, ob man dieses Design besser oder schlechter als beim Galaxy Fold findet.

Was hingegen unzweifelhaft unangenehm ist, ist der recht große Rahmen um den Bildschirm, der noch dazu leicht erhöht ist. Grund dafür ist, dass damit das Display und das darüberliegende Glas fixiert werden. Eine verständliche Erklärung, die aber nichts daran ändert, dass dies gerade bei Gesten am Rand zumindest gewöhnungsbedürftig ist.

Stabilität

Doch noch einmal zurück zum Scharnier: Samsung betont, dass es sich hierbei um ein gänzlich neues Design handelt, das besser vor dem Eindringen von Verunreinigungen unter den Bildschirm schützen soll. Das ließ sich in dem Rahmen natürlich nicht austesten, aber zumindest wirkt das Scharnier sowohl leichtgängiger als auch stabiler. Dass dabei in einem Winkel zwischen 70 und 110 Grad stabil die Position gehalten wird, ist ein nettes Extra, wenn man etwa das Smartphone auf dem Tisch abstellen will – Samsung denkt dabei unter anderem an Videotelefonie.

Der Rahmen rund um das Display hebt sich deutlich ab.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Kamera und mehr

Die von der Hauptkamera getätigten Aufnahmen wirken auf den ersten Blick durchaus gut, mit dem Niveau des S20 können sie aber nicht mithalten. Das ist auch nicht weiter überraschend, handelt es sich dabei doch um jene Sensoren, die schon beim S10 zum Einsatz kamen. Ganz generell verbaut Samsung beim Galaxy Flip viel Hardware, die eher dem Vorjahr zu entstammen scheint. Das reicht vom nicht mehr ganz aktuellen Snapdragon 855+ als Hauptprozessor bis zu dem Umstand, dass der Punchhole-Ausschnitt rund um die Frontkamera merklich größer als beim S20 ist.

Minidisplay

Eine Besonderheit des Galaxy Z Flip ist das Minidisplay an der Außenseite. Hier werden von Haus aus Uhrzeit und Benachrichtigungs-Icons angezeigt. Prinzipiell handelt es sich dabei aber um ein ganz normales AMOLED-Display, wer will, kann hier sogar eine Kameravorschau darstellen. Ein nettes Gimmick, wirklich praktikabel dürfte dies im Alltag hingegen kaum sein. In Kooperation mit Google hat Samsung einige Optimierungen an der Software vorgenommen, so können Apps die beiden Hälften quasi geteilt ansprechen. Und auch die Nutzer selbst können hier unterschiedliche Apps parallel positionieren. Als Software läuft auf dem Galaxy Z Flip übrigens das aktuelle Android 10 mit Samsungs One UI 2.1.

Auf der Außenseite gibt es ein Minidisplay für die wichtigsten Informationen. Dieses soll laut Samsung "always on" sein, im Hands-on hat es sich aber immer wieder deaktiviert.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Hochrechnung

Auch wenn im Rahmen der Veranstaltung natürlich keine Tests zur Akkulaufzeit vorgenommen werden konnten, so lassen die Spezifikationen zumindest eine grobe Einordnung zu. Der verbaute Akku mit 3.300 mAh sollte bei einem Gerät mit der Displaygröße für eine eher durchschnittliche Laufzeit sorgen. Besser als beim direkten Konkurrenten, dem Motorola Razr, sollte sie aber allemal sein, hat dieses doch lediglich magere 2.510 mAh zu bieten.

Fazit

Ganz generell ist der erste Eindruck des Galaxy Z Flip ein durchaus positiver. Samsung hat im Vergleich zum Galaxy Fold einige Fortschritte gemacht, und auch der Formfaktor hat durchaus etwas für sich. Was hingegen bleibt, ist der hohe Preis: Wer das neue faltbare Smartphone haben will, muss dafür stolze 1.480 Euro hinblättern. Trotzdem lässt man damit Konkurrent Motorola ziemlich alt aussehen. Der verlangt für sein Razr nämlich ähnlich viel Geld – das aber für eine in praktisch allen Belangen unterlegene Hardware.

Wer will, kann die beiden Bildschirmhälften für unterschiedliche Apps nutzen (im Bild Kamera und Browser).
Foto: Proschofsky / STANDARD

Bleibt vor allem eine Frage: Für wen ist das Galaxy Z Flip eigentlich gedacht? Wer einfach ein neues Smartphone haben will, dem kann man derzeit nicht ernsthaft zu dem Gerät raten. Dafür ist es schlicht zu teuer – vor allem wenn man den Preis in Relation zur Hardwareausstattung setzt. Immerhin ist diese, wenn man einmal von der Faltbarkeit absieht, eine Stufe unter anderen aktuellen Geräten angesiedelt – allen voran Samsungs eigenes Galaxy S20. Das ist natürlich auch dem Hersteller bewusst, und der Launch-Event zeigte schon gut, in welche Richtung die Reise gehen soll: Das Galaxy Z Flip soll als prestigeträchtiges Luxusobjekt, als Statussymbol positioniert werden. Ein Smartphone für Influencer, quasi. Wer sich davon angesprochen fühlt, kann in Österreich ab 21. Februar zuschlagen. (Andreas Proschofsky aus London, 12.2.2020)