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Mit der Bestellung des Vorsitzenden sollte man nicht bis zur Generalversammlung warten, sondern sich schon frühzeitig auf eine neutrale Person einigen.

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Vielen Gesellschaftern auch in schon länger bestehenden Unternehmen ist nicht bewusst, dass dem Vorsitzenden der Generalversammlung umfassende Leitungs-, ja sogar Machtbefugnisse zukommen, die von entscheidender, wirtschaftlicher Bedeutung sein können.

Aufgrund des fehlenden Bewusstseins werden sowohl in der Gründungsphase als auch später – wenn Entscheidungen noch von allen Gesellschaftern ohne Reibungen getragen werden – nur selten Regelungen zur Vorsitzführung in Gesellschaftsverträgen aufgenommen. Erst wenn die Gesellschafterinteressen nicht mehr konform gehen, wird dieses Versäumnis erkannt. Das ist meist zu spät und endet in langwierigen und kostspieligen Konflikten – oftmals vor Gericht.

Die Generalversammlung (GV), als Versammlung der Gesellschafter, ist das oberste Willensbildungs- und Entscheidungsorgan der Gesellschaft. Die Gesellschafter können dort alle Geschäftsführungsmaßnahmen an sich ziehen, entscheiden und Weisungen über die Durchführung an die Geschäftsführung erteilen. Somit liegen das wirtschaftliche Wohlergehen und der strategische Fortgang der Gesellschaft in den Händen der Generalversammlung.

Korrekte Stimmzählung

Das Gesetz sieht für die GmbH – im Gegensatz zur Aktiengesellschaft – keine Vorschriften über die Vorsitzführung vor, sodass die Regelung den Gesellschaftern überlassen bleibt. Da die Funktion des Vorsitzenden von strategischer Bedeutung ist, sollte sie nicht dem Zufall überlassen werden.

Neben der Aufgabe, den Ablauf der Generalversammlung geordnet zu führen, obliegt dem Vorsitzenden vor allem die Durchführung der Abstimmung und Stimmzählung sowie die Feststellung der Beschlussergebnisse zu allen von den Gesellschaftern gefassten Entscheidungen. Beim Zählen der Stimmen muss der Vorsitzende auch mögliche Stimmverbote beachten, die das Beschlussergebnis beeinflussen können.

Daher ist bei der Wahl der Person des Vorsitzenden darauf zu achten, dass das Wohl der Gesellschaft im Mittelpunkt steht und – wie der Oberste Gerichtshof jüngst erstmals entschieden hat – der Vorsitzende das Amt unparteilich, also neutral, ausübt (OGH 29.08.2019, 6 Ob 149/19h)

Neutralität

Diese Neutralität ist bei widerstreitenden Interessen der Gesellschafter besonders wichtig, etwa in Familienunternehmen mit Gesellschaftern aus unterschiedlichen Familienstämmen oder wenn Start-ups in der Wachstumsphase Finanzinvestoren in den Gesellschafterkreis aufnehmen. Der Vorsitzende darf keinesfalls aufgrund bestehender Interessenkonflikte und fehlender Neutralität die Abstimmungsergebnisse manipulieren.

Insbesondere für strittige Generalversammlungen ist es ratsam, einen Vorsitzenden einzusetzen, der eine förmliche Protokollierung und Feststellung der Beschlüsse vornimmt. Diese ist verbindlich, was im Streitfall zu weniger Beweisschwierigkeiten und erhöhter Rechtssicherheit führt.

Einfache Stimmenmehrheit

Die Bestellung eines Vorsitzenden muss nicht bereits im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden; er kann ad hoc in der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Bestellungsbeschluss angefochten und so die Wahl eines "parteiischen" Vorsitzenden bekämpft werden kann.

Dies macht auch die weiteren Beschlussergebnisse angreifbar. Durch die Einigung über einen neutralen Vorsitzenden im Gesellschaftsvertrag kann diese Problematik beseitigt werden. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, ist es empfehlenswert, im Vertrag auch schon die Person festzulegen.

Das Aktiengesetz regelt die Vorsitzführung und die Aufgaben des Vorsitzenden in einer Aktiengesellschaft. Auch dort muss der Vorsitz von einer unparteilichen, neutralen Person übernommen werden, damit Beschlüsse rechtswirksam gefasst werden können. (Elisa Maria Kaplenig, 13.2.2020)