Zwei Kinder in Idlib beobachten einfahrende türkische Militärfahrzeuge.

Foto: APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR

Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Mittwoch damit gedroht, "alles Nötige" zu tun, um die syrischen Regierungstruppen in der umkämpften Provinz Idlib zurückzudrängen. Die türkische Armee werde die Streitkräfte von Machthaber Bashar al-Assad "überall" angreifen, sollten erneut türkische Soldaten angegriffen werden, sagte Erdoğan. Das gelte "ungeachtet des Abkommens von Sotschi" mit Russland.

Erdoğan äußerte sich nach mehreren tödlichen Angriffen der syrischen Truppen auf türkische Stellungen in Idlib seit Monatsbeginn, bei denen 14 türkische Soldaten getötet und 45 verletzt wurden. Den mit Assad verbündeten russischen Streitkräften warf Erdoğan vor, in Idlib "Massaker" an der Zivilbevölkerung verübt zu haben. Assads Regime und die russischen Streitkräfte "greifen ständig Zivilisten an, verüben Massaker und vergießen Blut", erklärte Erdoğan.

Spannungen zwischen Moskau und Ankara

Der russische Präsident Wladimir Putin und Erdoğan hätten telefoniert, hieß es kurz darauf aus Moskau. Nach Angaben des Kreml wollen beide Seiten auch nach den jüngsten Auseinandersetzungen in Idlib an ihren Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts festhalten. Dazu solle es weitere Kontakte zwischen Ministerien beider Länder geben. Gemeint sind die Verteidigungs- und die Außenministerien in Moskau und Ankara.

Die Initiative für das Gespräch sei von Erdoğan ausgegangen. Er hatte Russland einen Bruch der Vereinbarungen vorgeworfen – und forderte einen Abzug der syrischen Armee. Eine türkische Delegation werde in den kommenden Tagen nach Moskau reisen, kündigte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Deutschland habe der Türkei 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um sie bei der Aufnahme von Syrern, die aus Idlib fliehen, zu unterstützen.

Moskau und Damaskus kritisieren westliche Hilfe für Terroristen

Russland verteidigte die Offensive des syrischen Militärs in Idlib erneut und warf der Türkei vor, zu wenig im Kampf gegen Terroristen zu tun. Die bewaffneten Gruppen hätten die von russischer und syrischer Seite eingerichteten humanitären Korridore für Flüchtlinge in den Provinzen Idlib, Aleppo und Hama blockiert und teils vermint.

Moskau und Damaskus werfen auch dem Westen Unterstützung in der Rebellenhochburg vor. Die syrische Armee habe bei ihrem jüngsten Vorrücken in der Region eine große Menge an Kriegsgerät, Waffen und Munition der Kämpfer sichergestellt, erklärten russische und syrische Regierungsvertreter. Demnach stammt die Ausrüstung teils aus westlicher Produktion. "Das zeugt von einer andauernden Unterstützung der Rebellen aus dem Ausland", hieß es. Konkrete Länder nannten sie nicht. Auch Beweise für die Beschuldigungen legten sie nicht vor. Syriens Regierung bezeichnet generell alle Rebellen als Terroristen.

Ein BBC-Korrespondentenbericht über das Leid in Idlib.

Die syrische Armee war in den vergangenen Wochen mit russischer Luftunterstützung trotz einer Waffenruhe in der Region Idlib vorgerückt. Dominiert wird die letzte große Rebellenhochburg von der Al-Kaida-nahen Miliz Hayat Tahrir al-Sham. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Milizen, Russland steht auf der Seite Assads.

In dem Gebiet leben laut UN-Schätzungen rund drei Millionen Zivilisten. Mehr als die Hälfte davon sind bereits vor Bombardierungen und den syrischen Truppen geflohen. Viele lehnen eine Rückkehr in Gebiete unter Regierungskontrolle ab, weil sie Verfolgung und andere Repressionen befürchten. (red, Reuters, APA, 12.2.2020)