Der Papst ist gegen verheiratete Männer als Priester.

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Man kann auch einen Entscheid fällen, indem man ein Thema einfach nicht nicht erwähnt – und genau das hat Papst Franziskus in seinem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben zur Amazonas-Synode getan: Der Zölibat, das mit Abstand umstrittenste Thema der Bischofsversammlung vom vergangenen Oktober, kommt in der postsynodalen Exhortation "Querida Amazonia" (geliebtes Amazonien) schlicht und einfach nicht vor. Dabei hatte sich die Mehrheit der Teilnehmer des Weltbischofstreffens dafür ausgesprochen, dass "geeignete und anerkannte Männer" (viri probati) in Ausnahmefällen zu Priestern geweiht werden können. Mit dieser Maßnahme sollte der akute Priestermangel in der entlegenen und riesigen Region des Amazonas-Beckens gemildert werden.

Die vorgeschlagene Priesterweihe für viri probati hatte in konservativen katholischen Kreisen umgehend für einen Aufschrei gesorgt; in italienischen Medien war bereits von einem drohenden Schisma, einer Kirchenspaltung, die Rede. Für großes Aufsehen und erhebliche Irritation beim Papst sorgte vor knapp einem Monat auch ein Buch des afrikanischen Kurienkardinals Robert Sarah, an dem der frühere Papst Benedikt XVI. als Koautor mitgewirkt hatte: In dem Buch mit dem Titel "Des profondeurs de nos cœurs" ("Aus der Tiefe unserer Herzen") warnen die Autoren eindringlich davor, das Gebot der Ehelosigkeit für Priester aufzugeben. "Bischöfe, Priester und Laien müssen damit aufhören, sich von falschen Ideen, theatralischen Produktionen, teuflischen Lügen und modischen Irrtümern einschüchtern zu lassen", heißt es in dem Werk.

Andere Abhilfen für Priestermangel

Den Priestermangel im Amazonas-Gebiet als solchen ignoriert der Papst in seinem Schreiben nicht. Aber in der "Querida Amazonia" sieht Franziskus andere Mittel zur Abhilfe vor: Um "eine größere Häufigkeit der Eucharistiefeier" zu garantieren, müssten die Ortsbischöfe "großzügiger" sein und neben geweihten Priestern vermehrt Laien und Missionare in die entlegenen Gebiete entsenden. Bloß eine größere Präsenz der geweihten Amtsträger zu ermöglichen scheine ihm ein "zu begrenztes Ziel". Nur durch eine Aufwertung der Rolle von engagierten Laien werde die Kirche imstande sein, auf die Herausforderungen Amazoniens angemessen zu reagieren. Gleichzeitig bekräftigt der Papst, dass bestimmte Aufgaben von geweihten Priestern eben "nicht delegierbar" seien und dass nur ein Priester der Eucharistie vorstehen könne.

Wertschätzung für Frauen, aber keine Klerikalisierung

Kein offenes Ohr hat Franziskus in seinem Schreiben auch für die Frauenordination, die bei der Amazonas-Synode ebenfalls ein wichtiges Thema gewesen war. Der Papst erkennt zwar an, dass viele Gemeinden im Amazonas-Gebiet nur dank der "Präsenz von starken und engagierten Frauen" überlebt hätten. Doch von einer Priesterweihe, von einer "Klerikalisierung der Frauen", hält er nichts: Das Verständnis von Kirche auf "funktionale Strukturen" zu reduzieren sei eine verengte Optik. Stattdessen fordert er in seinem Schreiben mehr Wertschätzung für den spezifisch weiblichen Beitrag, "die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weiterzugeben".

Inwieweit der Papst aus Argentinien in seinem nachsynodalen Schreiben vor dem Druck der Traditionalisten eingeknickt ist, lässt sich schwer beantworten. Fest steht, dass Franziskus in Lehr- und Dogmafragen schon immer konservativer war, als sein offenes und joviales Image vermuten lassen könnte. "Ich bin ein Kind der Kirche, und die Position der Kirche zu diesen Fragen ist bekannt", hatte er einmal betont, als er zu Fragen der Frauenordination und der Sexualmoral Stellung beziehen sollte. Und auch seine Haltung zum Zölibat war schon vor der Amazonas-Synode klar gewesen: "Ich persönlich finde, dass der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist", sagte Franziskus im Jänner 2019 zu Journalisten. Mit dem Vorschlag, den Zölibat von einer Verpflichtung zu einer Option zu machen, sei er "nicht einverstanden".

Schönborn erkennt ein grundsätzliches Ja

Der Papst wolle die Ansätze, die bei der Amazonien-Synode erarbeitet wurden, weiter reifen lassen: So interpretiert Kardinal Christoph Schönborn Franziskus' Schreiben. Der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz sieht ein "grundsätzliches Ja des Papstes zu den Ergebnissen der Amazonien-Synode, ohne gleich diese Ergebnisse in konkrete Maßnahmen umzusetzen".

Eine Absage in der Causa prima erkennt Schönborn nicht: "Im Blick auf mögliche Ausweitungen der Ausnahmeregelungen zum Zölibat hat die Amazonien-Synode eine Tür geöffnet, der Papst hat sie offensichtlich nicht wieder geschlossen." (Dominik Straub aus Rom, red, 12.2.2020)