Wenn sich Bernie Sanders über seinen Vorwahlsieg in New Hampshire noch nicht so richtig freut, dann hat er damit recht: denn zumindest mathematisch bringt dieser nicht viel.

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Frage: Bernie Sanders und Pete Buttigieg liegen nach Delegiertenstimmen jetzt fast gleichauf. Was bedeutet das für ihre Chancen?

Antwort: 23 Stimmen hat sich Pete Buttigieg in Iowa und New Hampshire gesichert, 21 entfallen auf Bernie Sanders – zur Drittplatzierten Elizabeth Warren ist das schon ein Abstand von 13 Punkten. Das scheint knapp, die Führung der beiden Spitzenreiter ist aber schon ziemlich eindrücklich. Zumindest so lange, bis man sich verdeutlicht, wie viele Stimmen insgesamt bei den Vorwahlen der Demokraten vergeben werden: 3.979 Delegierte werden nämlich insgesamt gewählt, die bisher vergebenen Stimmen sind also nur ein sehr kleiner Teil aller zu vergebenden Delegiertenstimmen.

Iowa und New Hampshire bezahlen ihre frühe Position im demokratischen Primary-Kalender nämlich de facto mit einem Defizit an Delegiertenstimmen. Die (komplizierten) Regeln für die Vorwahlen sehen nicht nur vor, diese nach einem Schlüssel aus der Zahl demokratischer Wähler bei den vergangenen drei Präsidentenwahlen und der Bevölkerungszahl zu vergeben, sondern sie bieten auch einen Bonus: Staaten erhalten um bis zu 30 Prozent mehr Stimmen, wenn sie ihre Vorwahl später veranstalten, und einen Bonus von 15 Prozent, wenn sie gemeinsam mit einem Nachbarstaat wählen. Die bevölkerungsarmen, nicht benachbarten Frühstarter im Mittleren Westen und Neuengland haben beides nicht. Ihre Macht liegt also nicht in der Vergabe der Delegierten, sondern im vorentscheidenden Charakter, der den Abstimmungen dort zugesprochen wird. Es geht vor allem ums Image. Sanders und Buttigieg könnten sich also kaum über ihren Vorsprung für den Parteitag freuen – wohl aber über die positive Berichterstattung in US-Medien und die Aufmerksamkeit, die sie als große Gewinner der ersten beiden Wahlrunden erhalten.

Frage: Joe Biden wurde zweimal schwer geschlagen. Wieso macht er noch weiter?

Antwort: Weil, zumindest aus seiner Sicht, das Momentum aus Iowa und New Hampshire nicht alles ist. Der frühere Vizepräsident Barack Obamas, der viele Unterstützerinnen und Unterstützer unter nichtweißen Parteimitgliedern hat, verweist auf eine Eigenheit der beiden ersten Primary-Staaten: Sie sind viel weißer als der Rest des Landes. In Nevada (22. Februar) und South Carolina (29. Februar) leben viele hispanische beziehungsweise schwarze Wählerinnen und Wähler. In diesen demografischen Gruppen rechnet sich Biden bessere Chancen aus – und darauf deuten die jüngsten Umfragen dort auch noch hin. Allerdings: Nach den bisherigen Misserfolgen hat Biden auch in diesen beiden Staaten Zuspruch verloren. Seine Hoffnung hat außerdem durch Exit-Poll-Ergebnisse in Iowa und New Hampshire Risse bekommen: Dort wählten die nichtweißen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit noch größerer Mehrheit Bernie Sanders als die demokratische Gesamtbevölkerung.

Frage: Und wer ist eigentlich Amy Klobuchar?

Antwort: Amy Klobuchar ist jene Frau, die von Bidens Unglück profitieren will. Die seit 2007 amtierende, aber als etwas farblos geltende Senatorin aus dem Midwest-Staat Minnesota zählt wie der Ex-Vizepräsident zum zentristischen Flügel der Demokraten. Anders als Biden konnte sie aber vom Direktwahlkampf in den beiden Bundesstaaten profitieren – und auch von äußerst sattelfesten Auftritten in den bisherigen TV-Debatten. Lange hatte sie trotzdem als Zählkandidatin gegolten. Nach (laut provisorischem Ergebnis) 12,3 Prozent Zustimmung in Iowa (nach Staatsdelegiertenstimmen – SDE) hat sie nun aber auch in New Hampshire mit 19,3 Prozent ein deutliches Lebenszeichen von sich gegeben. Die 59-Jährige hofft nun, auch in anderen Staaten eine gute Alternative zu Biden und Buttigieg zu personifizieren – immerhin sehen viele Ersteren als zu alt und Letzteren als zu jung an.

Frage: Michael Bloomberg will erst zum Super Tuesday in knapp einem Monat einsteigen. Kann das funktionieren?

Antwort: Es ist jedenfalls ein interessantes Experiment – und eines, das unter bestimmten Bedingungen schon funktionieren kann. Zunächst zu den Zahlen: Nur 193 der 3.979 gebundenen Delegierten werden vor dem Super Tuesday am 3. März vergeben. Das ist ein Rückstand, der mit einer guten Leistung sicher aufholbar ist. Wichtiger ist wohl das psychologische Element: Leidet Bloomberg eher unter den bisherigen Erfolgen seiner Gegner oder sieht das demokratische Bewerberfeld in knapp drei Wochen so zerstritten aus, dass sich Wählerinnen und Wähler nach einem frischen Gesicht sehnen? Möglich ist aber, dass der frühere New Yorker Bürgermeister ohnehin auf etwa anders spekuliert: darauf, dass niemand aus dem Kreis der Kandidatinnen und Kandidaten jene 1.990 Delegiertenstimmen erhält, die zur absoluten Mehrheit und damit zum sicheren Sieg beim Parteitag reichen. Die 771 – nicht als solche vom Wahlvolk erkorenen – Superdelegierten, die heuer im ersten Wahlgang nicht mehr abstimmen dürfen, bekämen doch wieder Gewicht. Und dann, so hofft Bloomberg, könnte er vielleicht auch die Anhänger des einen oder anderen Gegners für sich gewinnen und als Kompromisskandidat die Nominierung holen.

Frage: Und wieso macht Elizabeth Warren weiter?

Antwort: Die linke Konkurrentin von Bernie Sanders hat in Iowa und New Hampshire weit unter den selbst gesteckten Erwartungen abgeschnitten. Aufgaben will sie aber noch nicht – auch deshalb, weil sie bei ihren wesentlichen Konkurrentinnen und Konkurrenten samt und sonders deutliche Schwächen sieht, die sie ausnützen will. Das geht aus einem Memo an ihr Wahlkampfteam hervor, aus dem die "New York Times" am Dienstag zitierte. Warren will sich demnach als jene Alternative zu Sanders präsentieren, die zwar ähnliche Positionen vertritt, aber weniger polarisiert – und daher nicht so wie der Links-Senator einen niedrigen Wählerstimmenplafond habe. Auch Unterstützerinnen und Unterstützer Joe Bidens möchte Warren abräumen – sie hofft auf den baldigen Zusammenbruch seiner Kampagne. Pete Buttigieg hingegen sagt sie nach, nur bei weißen Wählerinnen und Wählern Erfolg haben zu können.

Frage: Biden hat immer mit seinen Chancen gegen Trump geworben – und derzeit sieht es nicht gut für ihn aus. Wie stehen die der anderen Kandidaten?

Antwort: Das ist so weit vom Wahltermin im November entfernt natürlich schwer zu sagen. Nimmt man das Mittel aktueller Umfragen als Richtschnur, so haben jedenfalls auch die anderen Kandidatinnen und Kandidaten Chancen. Biden würde Trump demnach mit 50 zu 45 Prozent schlagen, Sanders würde ihn mit 49 zu 45 besiegen, und Michael Bloomberg wäre mit 50 zu 45 Prozent zum Präsidenten gewählt.

Schwieriger wäre es für Pete Buttigieg (46 zu 45), Elizabeth Warren (48 zu 45) und Amy Klobuchar (46 zu 43). Alle haben aber eines gemeinsam: Glaubt man dem Umfragemittel, würden sie zumindest Stand Februar 2020 gegen Trump gewinnen. Der Wahlkampf ist aber natürlich noch lang. (Manuel Escher, 12.2.2020)