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Matteo Salvini im Senat.

Foto: REUTERS/Guglielmo Mangiapane

Wenn es zu einem Prozess kommen wird, dann werde ich mich diesem mit Stolz stellen", erklärte Matteo Salvini am Mittwoch im Senat. Er stehe hier "mit erhobenem Kopf und reinem Gewissen: Er habe mit seinem Entscheid lediglich seine "heilige Pflicht erfüllt" und "Italiens Grenzen, seine Würde und die Sicherheit seiner Bürger verteidigt.

"Wenn ein Mann nicht bereit ist, für seine eigenen Ideen zu kämpfen, oder wenn seine Ideen nichts wert sind, dann ist er ebenfalls nichts wert", zitierte Salvini auf Twitter zuvor den amerikanischen Dichter Ezra Pound, ein Idol der italienischen Neofaschisten. Seine Parteikollegin und Anwältin Giulia Buongiorno hat im Senat außerdem erklärt, dass Salvinis Entscheid von Regierungschef Giuseppe Conte und vom damaligen Koalitionspartner, der Fünf-Sterne-Protestbewegung, mitgetragen worden sei – was diese allerdings in Abrede stellen.

Salvini wird vom Ministertribunal Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch vorgeworfen, weil er Ende Juli 2019 131 Flüchtlinge an Bord des Küstenwache– Schiffs "Gregoretti" im Hafen der sizilianischen Stadt Augusta während fünf Tagen nicht hatte an Land gehen lassen. Er wollte damit eine Verteilung der Migranten auf die EU-Partnerländer erzwingen. Damit dem Ex-Innenminister der Prozess gemacht werden kann, musste der Senat erst die parlamentarische Immunität seines Mitglieds Salvini aufheben.

Lega-Abgeordnete enthielten sich

Der Chef der rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Lega hatte sich vor der Entscheidung im Senat stets für die Aufhebung seiner Immunität ausgesprochen – "damit vor einem Gericht ein für allemal geklärt wird, ob ich ein Krimineller bin, weil ich den Interessen meines Landes gedient habe." Salvinis Truppen haben sich bei der Abstimmung im Senat ihrer Stimme enthalten – womit die Entscheidung praktisch festgestanden war.

Die Debatte gestern im Senat war wie erwartet hitzig – was angesichts des polarisierenden Hauptdarstellers der Debatte, Salvini, nicht zu überraschen vermochte. Die Aufhebung der Immunität für den Lega– Chef bedeutet aber zunächst noch keineswegs, dass seine politische Karriere nun beendet wäre. Letztlich hat die Mehrheit des Senats bloß entschieden, dass ihm der Prozess gemacht werden kann: Das sogenannte Ministertribunal, das die Aufhebung der Immunität beantragt hatte, kann nun beschließen, dass gegen Salvini vor ein ordentliches Strafverfahren eröffnet wird. Am Zug sind dann die Staatsanwälte von Catania, die geografisch zuständig sind.

Jahrelanger Prozess erwartet

Wird ein strafrechtliches Verfahren eröffnet, dann würde es erfahrungsgemäß lange dauern, bis der Lega-Chef eventuell verurteilt wird: Die Mühlen der italienischen Justiz mahlen ungemein langsam. Bis zu einem definitiven, nicht mehr anfechtbaren Urteil werden Jahre vergehen – und bis zu diesem Zeitpunkt kann Salvini laut dem Severino-Gesetz nicht mit einem Ämterverbot belegt werden.

Auch Ex-Premier Silvio Berlusconi verlor seinen Sitz im Senat erst, als er 2013 nach einem jahrelangen Prozess über drei Instanzen vom Kassationshof in Rom in letzter Instanz wegen Steuerbetrugs verurteilt worden war. Seine Rolle als Angeklagter in mehreren Prozessen hatte den "Cavaliere" nie davon abgehalten, Italien während Jahren zu regieren.

Parlamentswahl 2023 vorgesehen

Dennoch könnte bereits ein erstinstanzliches und damit noch nicht rechtskräftiges Urteil für Salvini empfindliche Folgen haben – auch ohne formelles Ämterverbot. Eine Verurteilung in erster Instanz könnte durchaus noch in diesem Jahr oder im Jahr 2021 erfolgen – also noch vor den nächsten Parlamentswahlen, die für den Frühling 2023 vorgesehen sind.

Im Fall einer Verurteilung ist es nur schwer vorstellbar, dass Salvini noch als Spitzenkandidat der Rechten wird antreten könnte, zumal die Lega die Wahlen nicht alleine gewinnen kann und auf Verbündete angewiesen sein wird – in erster Linie auf die immer stärker werdenden postfaschistischen Fratelli d'Italia ("Brüder Italiens") von Giorgia Meloni. Und diese lässt immer deutlicher durchblicken, dass sie sich gut vorstellen könnte, erste Ministerpräsidentin Italiens zu werden.

Salvini wollte Neuwahlen erzwingen

Salvini hat in den letzten Monaten einiges von seiner einstigen Strahlkraft eingebüßt – und hat er dies ausschließlich eigenen Fehlern zuzuschreiben. Die erste gravierende Fehleinschätzung hatte er sich im vergangenen August geleistet, als er die eigene Regierung stürzte, um Neuwahlen zu erzwingen. Stattdessen bildeten die Fünf Sterne zusammen mit der Linken eine neue Regierung.

Den zweiten Fehler begann er bei den Regionalwahlen in der Emilia-Romagna Ende Januar, die er zu einem Plebiszit über seine eigene Person stilisierte – und klar verlor. Die Misserfolge schlagen sich nun immer deutlicher in den Umfragen nieder: Die Lega ist zwar immer noch stärkste Partei im Land, aber laut einer gestern veröffentlichten Befragung sank die Partei Salvinis erstmals seit über einem Jahr auf unter 30 Prozent – während Melonis Fratelli d'Italia bereits 13 Prozent erreichen. (Dominik Straub aus Rom, 12.2.2020)