Es gehe seit Jahren schleichend bergab, sagt Manfred Großberger. Immer weniger Schulen würden für Skikurse kommen. Seit rund 40 Jahren gibt es die Skischule im kleinen Skigebiet Forsteralm zwischen Nieder- und Oberösterreich, die Großberger leitet. "Das Interesse der Schulen ist sehr gering", sagt er. Und wenn, würden größere Skigebiete bevorzugt. Mit Kindergärten habe man gute Erfahrungen. Der Skischulbesitzer hofft, damit die Schulskikurskinder der Zukunft heranzuziehen. Ob das gelingt? Großberger hofft auf die Politik: "Das Bildungsministerium muss mehr vorgeben und steuern." Schließlich seien die Kinder an der frischen Luft und würden sich bewegen.

"Wir haben beiden Parteien noch vor den Koalitionsverhandlungen einige Wünsche mitgeteilt", sagt Skiverbandspräsident Peter Schröcksnadel.
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Auch die Zahlen aus dem Bildungsministerium zeigen: Ab 1984 ging es talwärts, erst in den vergangenen acht Jahren nehmen wieder etwas mehr Kinder an den sogenannten Wintersportwochen teil – was sich zum Großteil mit der deutlich gestiegenen Gesamtschülerzahl erklärt. Im Schuljahr 2018/19 stand bei rund 160.000 von insgesamt 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern ein gemeinsames Schneeerlebnis auf dem Stundenplan – vorausgesetzt, es hat auch wirklich geschneit oder die Schneekanonen waren erfolgreich im Einsatz. Tourismusbetriebe, Seilbahngesellschaften und Skihandel sind ob der Zahlen alarmiert. Seit Jahren lobbyiert man also für die eigene Sache – durchaus erfolgreich.

Bereits die türkis-blaue Vorgängerregierung wollte die Wintersportwoche wieder zur Pflicht machen. Türkis-Grün geht noch einen Schritt weiter. Im Koalitionspakt ist vorgesehen, Sporttage "von mindestens vier Tagen" in der Primarstufe einzuführen, in der Sekundarstufe I und II sollen es gleich "zwei Wochen" sein – "wobei eine davon dem Wintersport gewidmet sein muss". Bis 1996 waren Skikurse verpflichtend – ab diesem Zeitpunkt kam die Möglichkeit hinzu, auf Sprachwoche ins Ausland zu fahren, womit das System gehörig durcheinandergeraten ist.

"Sehr klar deponiert"

Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), gesteht durchaus ein, es sei ein Fehler gewesen, dass man damals nicht auf die Barrikaden stieg. Der sozusagen oberste Skifahrer des Landes macht kein Hehl daraus, dass der ÖSV bei Türkis-Grün, um es vorsichtig auszudrücken, lobbyiert hat: "Wir haben beiden Parteien noch vor den Koalitionsverhandlungen einige Wünsche mitgeteilt." Dabei sei das Comeback des Skikurses eines der wichtigsten Anliegen gewesen: "Das haben wir sehr klar deponiert."

Praktischerweise arbeitet man in Sachen Wiederbelebung der Schulskikurse mit gleich drei Ministerien, der Wirtschaftskammer (WKO) sowie diversen Interessenvertretungen zusammen – gemeinsame Dachmarke "WiSpoWo", kurz für Wintersportwochen. Auf der Website dieser "Servicestelle" wird schneehungrigen Schulleitungen und Lehrkräften ein Rundum-sorglos-Paket geboten: Direktlinks zu möglichen Quartiergebern, Checklisten für die Ausrüstung, Urkunden für das Abschlussrennen, sogar eine vorgefertigte Powerpoint-Präsentation, mit der skeptische Eltern überzeugt werden sollen. Selbst für jenen Teil, aufgrund dessen es den begleitenden Lehrkräften das eine oder andere Haar aufstellen könnte, ist vorgesorgt – mit "praxiserprobten" Spielideen für den Klassenabend, aufbereitet von Wirtschaftskammer und der Fachsparte Seilbahn der WKO. Auch die "Allianz Zukunft Winter" ist hier Partner. In einer "Mission (im)possible" von 2018 wehrt man sich gegen "unlautere" Argumente gegen den Ausbau von Skigebieten – Stichwort Klimaerwärmung. Damals ging man übrigens noch davon aus, dass selbst die besten Argumente bei den Grünen "nur homöopathische Wirkung" erzielen würden. Es kam anders.

Wintersport heißt nicht zwingend Skifahren: Es darf auch Eisfischen, Iglubauen oder Schneeschuhwandern sein.
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Die Wintersportwoche wird wieder Pflicht. Wann genau, kann bei ÖVP und Grünen derzeit niemand sagen. Fix ist: Ein "Skizwang" kommt nicht. Auch Eisfischen, Iglubauen oder Schneeschuhwandern stehen zur Wahl. Wie eine soziale Abfederung aussehen kann? Auch das bleibt noch offen. Derzeit fördert jedes Bundesland, wie es ihm gefällt, etwa in Form von Tagespässen oder günstigen Skihelmen – die dann beispielsweise das NÖ-Logo ziert.

Das Vorhaben der Regierung nährt jedenfalls die Hoffnung der Ski- und Tourismusindustrie. Dass sich immer weniger Kinder und Jugendliche Skier anschnallen, hatte kurzfristig nur insofern wenige Folgen für die Bergbahnen, als inländische Skifahrer vor allem durch Gäste aus Zentral- und Osteuropa – junge wie ältere – abgelöst wurden.

Aber wie lange noch, fragen sich Branchenvertreter. Der frühere Chef von Blizzard und jetzige Sprecher des "Netzwerks Winter", Franz Schenner, sieht jedenfalls noch genug zu tun. "Es geht vor allem auch um bessere Rahmenbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer. Wer bereit ist, Schulskikurse zu organisieren und zu begleiten, hat Unterstützung und Wertschätzung verdient", sagt Schenner. So sei etwa die heimische Skiindustrie bereit, für schulische Zwecke einen Rabatt von 40 Prozent zu gewähren. Dem stehe aber die Antikorruptionsrichtlinie entgegen – derzeit jedenfalls.

Wie halten es andere Länder? In Deutschland obliegt die Gestaltung der Sportwochen den 16 Bundesländern, eine Pflicht für Skikurse gibt es nirgends.

Schneeklassen

In Frankreich gibt es wiederum "classes de neiges" (wörtlich: Schneeklassen), die ab der Primarschule organisiert werden. Wobei Skifahren in Frankreich nur ein Sport unter vielen ist und nicht öffentlich gefördert wird, weshalb auch Kletter- oder Kanu-Klassen möglich sind. Anderes Beispiel: Skandinavien. In Schweden wie auch in Norwegen gibt es ebenfalls keine verbindlichen Schulskikurse.

Pflicht oder Kür: Ob der österreichische Förderweg das Zeug zur Trendumkehr hat, hängt nicht zuletzt von den Schneeverhältnissen ab. Im Skigebiet Forsteralm sah es damit heuer schlecht aus. Skischulleiter Großberger klagt: "Ohne Schneekanonen geht gar nichts mehr." (bau, brä, fri, pm, ren, riss, stro, 13.2.2020)