Umfragen sind das eine – diesen zufolge sah der ehemalige Vizepräsident Joe Biden schon wie der sichere Sieger des Nominierungswettlaufs der US-Demokraten aus; er würde seinen Preis nur noch lässig grinsend abholen müssen. Wetten sind das andere – folgt man diesen, dann hat der Medienmogul Michael Bloomberg von allen die besten Chancen, Donald Trump im direkten Duell ums Weiße Haus zu schlagen.

Pete Buttigieg konnte innerhalb weniger Tage seine Umfragewerte fast verdoppeln.
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Doch dann gibt es Entwicklungen, die weder Demoskopen noch Buchmacher im Blick haben können. Die Auszählungspanne von Iowa gleich zu Beginn des mehrmonatigen Vorwahlmarathons mag zwar eine Schmach für die Demokraten als Partei gewesen sein – doch für den jungen Pete Buttigieg, den ehemaligen Bürgermeister von South Bend, Indiana, war dieser tagelange Wahlkrimi geradezu ein Boost in Sachen Bekanntheit und Akzeptanz: Der 38-Jährige konnte innerhalb weniger Tage seine Umfragewerte fast verdoppeln und seine Chancen gegen die doppelt so alten Mitbewerber erheblich steigern.

Bei der Vorwahl im Hew Hampshire landete Buttigieg nur knapp hinter Platzhirsch Bernie Sanders. Das war womöglich vorentscheidend, denn wer in New Hampshire vorne dabei ist, kann weit kommen, kann sogar das Finale gewinnen. Das bewiesen schon 1992 der zuvor chancenlose Bill Clinton und 2008 der bis dahin nicht sonderlich ernstgenommene Barack Obama.

Doch Buttigieg ist weder ein zweiter Clinton noch ein Obama-Klon. Trotzdem spricht viel dafür, dass er noch weit kommt. Kaum jemand glaubt noch, dass es Biden sein wird, der Trump besiegen kann. Seine Kampagne hob nie wirklich ab, sein Versprechen, eine Art Obama 2.0 zu werden, verhallte.

Gefundenes Fressen

Sanders wird sich – sehr gut möglich – bis zum Nominierungsparteitag Mitte Juli in Milwaukee halten können. Doch wäre er der richtige Kandidat? Wäre er nicht ein gefundenes Fressen für die präsidiale Wahlkampfmaschinerie, die nur darauf wartet, den Amtsinhaber ein weiteres Mal in einen rabiaten Lagerwahlkampf schicken zu können? In diesem könnte Trump genüsslich gegen "kommunistische" Extrempositionen wettern, die wohl auch einem guten Teil der demokratischen – aber nicht Sanders zugeneigten – Wählerschaft fremd wären.

Und Bloomberg? Der Multimilliardär könnte sich bereits vor Wochen grandios verzockt haben, als er sich entschied, erst Anfang März offiziell in die Vorwahlen einzusteigen. Überhaupt: Warum sollten Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner Lust haben auf einen Ego-Wettstreit zweier alter, weißer, steinreicher New Yorker? Die USA sind mehr als das.

Wenn nicht Amy Klobuchar oder Elizabeth Warren noch für eine Überraschung sorgen und so doch noch eine Frau Trump herausfordert (zum zweiten Mal nach Hillary Clinton 2016), dann könnte Buttigieg den richtigen Riecher gehabt haben, als er Anfang 2019 seinen Hut in den Ring warf.

Natürlich wusste er, dass man ihm vorwerfen würde, über keine Erfahrung im US-Kongress zu verfügen. Diese haben andere auch nicht. Aber er weiß auch, dass viele genug haben vom erratischen Populisten im Weißen Haus, gleichzeitig aber mit Sanders’ Maximalforderungen nichts anfangen können. So gesehen könnte Buttigieg mit seinem vorsichtigen Mittelweg erfolgreich sein: endlich Hoffnung auf ein bisschen Normalität, endlich keine Extrempositionen mehr, endlich keine Demagogie mehr. (Gianluca Wallisch, 12.2.2020)