Rausgeätzt: Juste de Juste stapelt fragile Figuren zu einer Pyramide.

Foto: Albertina, Wien

Da liegen Platten aus Kupfer und Eisen, unbehandelt, mit Wachs beschichtet und geätzt. Daneben eine Nadel und eine Schale mit Säure. In einer Vitrine ausgestellt erklären die Werkzeuge Schritt für Schritt, wie eine Radierung funktioniert. Ein rein technischer Vorgang, so scheint es. Doch es ist mehr als das. Hier liegen die Einzelteile einer Revolution, die es um 1500 plötzlich ermöglicht Bilder zu drucken und sie zu hunderten zu vervielfältigen.

Feiner und schneller

Die Albertina beleuchtet dieses Phänomen in ihrer Schau Die frühe Radierung. Von Dürer bis Bruegel, die in Kooperation mit dem Metropolitan Museum in New York entstand. Mit etwa 100 ausgestellten Exponaten, wovon 80 Prozent aus der eigenen Sammlung stammen, kehrt die Albertina ihre Stärke hervor. In sechs Räumen werden das Tiefdruckverfahren, dessen Ursprünge und künftige Bedeutung dargelegt. Im Gegensatz zum Kupferstich oder dem Holzschnitt, ist es nun möglich, feiner, schneller und vor allem ohne handwerkliche Hilfe zu arbeiten. "Die eigene Handschrift des Künstlers wurde sichtbar", so Kurator Christof Metzger.

Die Ausstellung erzählt chronologisch die ersten 70 Jahre der Geschichte der Radierung. Man fängt ganz von vorne an: in Augsburg. Dort wird das Tiefdruckverfahren ursprünglich zur Verzierung von Waffen und Rüstungen verwendet. Als einer der ersten stellt der deutsche Druckgrafiker Daniel Hopfer Eisenradierungen her, jene auf haltbareren Kupfer tauchen erst später in den Niederlanden auf. Neben Wallfahrtsandenken und gotischen Alphabeten zeichnet Hopfer auch allegorische – teils anzügliche – Witzbildchen.

Reise nach Antwerpen

Doch um die Motive geht es in dieser verdienstvollen Ausstellung weniger, im Mittelpunkt steht die Technik. So sind auch weniger die rätselhaften Inhalte bei Großmeister Albrecht Dürer zentral, vielmehr sein detailreiches Spiel mit Licht und Schatten. Von Deutschland ausgehend, beginnt eine Reise durch die Entwicklung der europäischen Radierung. Über die Niederlande, wo Dürers Stil maßgeblichen Eindruck hinterlässt, geht es nach Italien und Frankreich. Die Technik wird ausgefeilter, Lucas van Leyden kombiniert Radierung mit Kupferstich, Parmigianino färbt sie bunt. Die Reise endet im belgischen Antwerpen, wo die Radierung Mitte des 16. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnt. Der Verleger Hieronymus Cock lässt Bildserien in hoher Auflage drucken, Bücher werden illustriert – das Massenmedium ist geboren.

Auch Pieter Bruegel erkennt das Potenzial, die eigenen Kunstwerke als Drucke international bekannt zu machen. Dennoch bleibt es mit Die Hasenjagd bei der einzigen von ihm angefertigten Radierung. (Katharina Rustler, 13.2.2020)