Toulouse – In der elfseitigen, sonst sehr positiven Jahresrechnung ist es ein einziges, winziges Minuszeichen: 3,6 Milliarden Euro hat Airbus 2019 zurückgestellt, um in Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA sehr unangenehme Bestechungsprozesse zu vermeiden. Das amerikanische Justizministerium ermittelte nach eigenen Angaben wegen eines "massiven Korruptionssystems" mit der Schmierung chinesischer und anderer Geschäftsleute. Jetzt werden die Verfahren eingestellt. Airbus-Chef Guillaume Faury meinte am Donnerstag bei der jährlichen Pressekonferenz des Unternehmens, die Strafzahlung sei "der Preis", den Airbus für vergangene Sünden zahlen müsse.

Airbus erleidet deshalb in seiner Jahresrechnung einen Nettoverlust von 1,36 Milliarden Euro – nach einem Reingewinn von drei Milliarden im Vorjahr. Man muss allerdings sagen: Das deutsch-französisch-spanische Gemeinschaftsunternehmen kann damit leben, denn ansonsten blüht sein operatives Geschäft. Mit 863 ausgelieferten Maschinen hat es im vergangenen Jahr einen Rekord erzielt. Und nun natürlich ohne jede Bestechung, wie die Airbus-Vertreter mit der Hand auf dem Herz beteuern.

Auch in Österreich werden dem Konzern korrupte Machenschaften unterstellt. Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf an Österreich weist Airbus jedoch zurück.

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Foto: Reuters/Pascal Rossignol

Airbus profitiert von Boeing-Misere

Airbus streicht seinen Jahreserfolg umso mehr heraus, als Widersacher Boeing im letzten Jahr nur 345 Flugzeuge, also nicht einmal die Hälfte, ausgeliefert hat. Die Aufträge für den US-Hersteller fielen wegen Annullierungen sogar negativ aus. Dass die Amerikaner im Jänner null Bestellungen einfuhren, war deshalb "fast schon ein Fortschritt", wie ein französischer Airbus-Sprecher in Toulouse mitfühlend meinte.

Der eigentliche Goldesel für Airbus ist der A320 mit seinen diversen Weiterentwicklungen. Faury kündigte am Donnerstag sogar eine Steigerung der monatlichen Produktion von derzeit 60 auf bis zu 67 Exemplare in drei Jahren an. Airbus profitiert dabei sicher auch vom Malheur des Boeing-Rivalen 737 Max, der nach zwei Abstürzen mit 346 Todesopfern noch monatelang außer Gefecht bleiben dürfte. Der Verkauf von 50 A321-XLR an United Airlines zeigte im Dezember, dass selbst die amerikanischen Airlines an Boeing zu verzweifeln beginnen.

Und das gilt nicht nur für den 737, sondern für weitere, äußerst kapitalintensive Boeing-Projekte wie den sogenannten NMA. Er sollte lange Strecken fliegen, ohne wirklich zu den teuren Langstreckenmaschinen zu zählen. Nun kommt sein direkter Rivale, der A321-XLR, ein halbes Jahr nach seiner Lancierung bereits auf 450 Bestellungen, wie am Donnerstag in Toulouse zu vernehmen war.

Umsatz um elf Prozent gesteigert

Alles in allem hat Airbus seinen Umsatz im abgelaufenen Jahre um elf Prozent auf 70,5 Milliarden Euro gesteigert. Der Gewinn aus dem rein operativen Geschäft beläuft sich auf fast sieben Milliarden Euro. Airbus kann sich deshalb den Luxus leisten, trotz Reinverlusts eine Dividende zu entrichten. Mit 1,80 Euro pro Aktie liegt sie sogar höher als im Vorjahr. Finanziert wird sie aus den Reserven, wie der deutsche Finanzchef Dominik Asam erklärte.

Airbus einigte sich mit den Behörden auf einen Deal, einen sehr teuren Deal mit Konsequenzen.

Und Airbus hat nicht nur satte Reserven, sondern auch rosige Aussichten. Für das laufende Jahr rechnet der Konzern mit 880 Auslieferungen – das wäre ein neuer Rekord. Aber laut Airbus nur, "wenn es zu keinen größeren Turbulenzen kommt, auch nicht durch das Coronavirus". Immerhin nehme das chinesische Airbus-Werk seine Arbeit in dieser Woche wieder auf, sagte Faury.

Mögliche Zollerhöhung

Der Airbus-Boss sagte weiter, dass er eine drastische Zollerhöhung durch die USA nicht ausschließe. In Toulouse hält man Präsident Donald Trump zu allem fähig, nachdem er getwittert hatte, er sei "sehr, sehr traurig" über das Boeing-Debakel. Es werte den europäischen Widersacher indirekt auf – und das wird die amerikanische Luftfahrts- und Rüstungsindustrie mit ihrem Herzstück Boeing nicht tatenlos hinnehmen.

Ein Schwachpunkt bleibt für Airbus die Rüstungssparte. Ihr Betriebsergebnis ist 2019 gesunken. Vom Militärtransporter A400M wurden zwar 14 Exemplare ausgeliefert; die Exportaussichten werden aber laut Faury "immer schwieriger". Auf das deutsche Ausfuhrverbot für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien anspielend, plädierte Faury in diplomatischen Worten für eine "Klärung" der politisch brenzligen Frage. In der Jahresrechnung 2020 führen die schwächeren Exportaussichten des A400M zu einer Sonderbelastung von 1,2 Milliarden Euro.

Trotzdem solide

Aber eben: Airbus steht trotz aller Probleme insgesamt sehr solide da. Sein Auftragsbestand beträgt derzeit 7.482 Flugzeuge mit dem astronomischen Wert von 470 Milliarden Euro. Das sagt viel aus über den anhaltenden Boom der Luftfahrtindustrie. Das Eurokonsortium denkt allerdings bereits über die Ära des Bestsellers A320 hinaus. An der Singapur-Messe zeigt es derzeit einen zwei Meter großen Prototyp namens Maveric (Model aircraft for validation and experimentation of robust innovative control). Dieser rumpflose, besonders aerodynamische Flieger besteht aus einer einzigen, ortsweise verdickten Tragfläche und gleicht damit eher einem Rochen als einem klassischen Flugzeug. Sein Hauptproblem: Die gut 200 Passagiere würden über keine Fenster verfügen.

Die Idee eines fliegenden Dreiecks ist nicht neu; dass sie Airbus aus dem Ärmel zieht, zeigt, dass das Unternehmen nicht nur von Boeings Malheur profitieren will, sondern schon jetzt einen nachhaltigen Nachfolger für den A320 sucht. (Stefan Brändle aus Toulouse, 13.2.2020)