Joey Alexander (17) stammt aus Bali, lebt in den USA und hat Stil.

Verve

Der Junge aus Bali, Josiah Alexander Sila, lebt in den USA. Er hat von der Einwanderungsbehörde einst ein Visum "für Einzelpersonen mit außerordentlichen Fähigkeiten" erhalten und heißt jetzt Joey Alexander. Als mittlerweile 17-Jähriger ist er so etwas wie der Musterknabe in der schmal besetzten Jazzkategorie "pianistisches Wunderkind". Vier Alben und einige Grammy-Nominierungen ist Alexander mittlerweile "schwer", seit er als kleiner Junge begann, kollegiales Staunen hervorzukitzeln.

NPR Music

Als Ersten überkam es Jazzklavierklassiker Herbie Hancock. Selbst als erst 23-Jähriger im zweiten Quintett von Trompetengrantler Miles Davis gelandet (also für Jazzbegriffe sehr früh), hörte Hancock das achtjährige Kind flott dahinspielen und sprach: dranbleiben! Große Zukunft voraus!

Reifer Aufbau

Bereits 2015 schwärmte auch der wichtige Impresario George Wein von einem Eindruck, "wie ich ihn noch nie bei einem Musiker seines Alters erlebt habe". Es liege Individualität in Alexanders Stil und "eine einzigartige Reife im Aufbau seiner Harmonien, die weit über das hinausgeht, was von einem Musiker seines Alters zu erwarten wäre". Nun ist der Junge beim renommierten Jazzlabel Verve gelandet. Und die CD Warna darf auch nach strengen Kriterien als interessant im Sinne des Mainstreams gelten. Die Jugend ihres Erfinders ist nicht herauszuhören.

Vor allem in Klaviertrio (mit Bass und Schlagzeug) liefert Alexander einerseits solide Meterware, die bei erwachsenen Prominenten auch schon vorgekommen sein soll. Da sind jedoch Stücke wie Downtime oder Affirmation I, die zeigen, dass ein junger Typ das Abenteuer sucht, die Freiheit des Genres versteht und das Kinderzimmer der harmlosen Noten verlässt. Harmonische Verdunkelungen simpler Kadenzen, markante Phasen, ein langsamer Aufbau der Improvisation: Alexander dringt in Bereiche, die genuinen Kunstwillen zeigen.

Mehr als Technik

Im Jazz ist instrumentale Technik natürlich essenziell. Sie ist vor allem aber eine Voraussetzung des Gestaltens. Alexander besitzt sie, schafft es jedoch, den Augenblick des Spontanen ideenreich und pointiert aufzuladen. Zu hören ist keine eitle technische Demonstrationskunst. Es ertönt ein quirliger Zugang zum Solieren, in dramaturgisches Geschick verpackt. Zugabe für die allseitige Verwunderung: Auch die meisten, mitunter raffinierten Kompositionen stammen von Joey.

Mit seinem Vermögen rüttelt der Junge auch an Jazzklischees – an etablierten Rolemodels des Genres. In der Klassik ist instrumentales Überkönnen ein zureichender Grund, früh ernst genommen zu werden. Anders im Jazz. Wichtig und karrierefördernd ist die Kategorie "junger Wilder". Die Saxofonisten Joshua Redman oder James Carter profitierten davon. Sie hatten allerdings längst ihr 30. Lebensjahr hinter sich gebracht und konnten mutmaßlich auf interessante Erfahrungen verweisen.

Natürlich nicht auf dermaßen profunde wie die "alten Weisen", welche eine zweite beliebte und kommerziell verwertbare Imageform des Jazz darstellen. In deren Noten hört der Fan erst recht das Authentische gespiegelt, Leben und Werk als echte Einheit. Schließlich gilt im Allgemeinen das Jazzmotto "Spiel dich selbst!" oder "Spiel deine Erfahrungen, deinen Schmerz, deine Tragödien!". Wunderkinder passen da nicht wirklich ins Konzept.

Substanzvolle Ergebnisse

Alexander zeigt allerdings, dass sinnvoll eingesetzte technische Fähigkeiten und profundes Wissen bezüglich improvisatorischer Techniken substanzvolle Ergebnisse zeitigen können. Er scheint es zu wissen: "Es geht nicht nur um Technik oder darum, wie schnell du bist. Um diese Musik zu spielen, musst du eine gewisse Reife besitzen – und Weisheit", sagt Joey, der für seine Gabe Gott verantwortlich macht.

In diesem Sinne betet er angeblich vor Konzerten. Ganz im Einklang mit seinen Eltern, die nicht nur Jazzfreaks sind, sondern auch sehr gläubige Christen. Übrigens: Die Familie hat Trompeter Wynton Marsalis in die USA gebracht, da auch er staunte: "Niemand hat je ein Talent gesehen, das in diesem Alter schon so gewandt und kultiviert spielt und seinen eigenen Sound hat." Was für Joey noch möglich ist, muss sich weisen. Es wartet viel Leben auf ihn. Mit allem, was dazugehört ... (Ljubiša Tošic, 13.2.2020)