Gender-Balance? "Höchst unbefriedigend", sagt Sabine Herlitschka.

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STANDARD: Das Ewig-Thema Frauen und Technik: Hat sich aus Ihrer Sicht etwas gebessert?

Herlitschka: Da ist nach wie vor viel Luft nach oben! Frauen stellen in der Technik eines der größten Potenziale dar, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Umgekehrt bietet die Technikbranche Frauen viele interessante Möglichkeiten und Karrierewege – also eine echte Win-Win-Situation. Allerdings – gemessen an der Anzahl der Absolventinnen in Mint-Fächern an österreichischen Hochschulen – hat sich der Frauenanteil in den vergangenen Jahren nicht rasant erhöht. Das ist höchst unbefriedigend, hier ist das österreichische Bildungssystem gefordert. Wir als Unternehmen sind hier schon lange aktiv und setzen so früh wie möglich an, um für Technik zu begeistern und auch zu zeigen, welche vielfältigen Chancen dahinterstehen. Das tun wir mit österreichweiten Girls' und Women's Days wie auch in unseren internationalen Kindertagesstätten. Dazu braucht es auch gelebte Rahmenbedingungen in den Unternehmen, die es Frauen ermöglichen, Karrierewege gehen zu können. Da investieren wir viel, von der Kinderbetreuung über flexible Arbeitsmodelle und Teleworking bis hin zur Unterstützung bei Aus- und Weiterbildung.

STANDARD: Bringt die Digitalisierung der Lehrberufe aus Unternehmenssicht Linderung bei der Nachwuchssorge?

Herlitschka: Die Entwicklungen und Anforderungen der Digitalisierung sind wesentlicher Bestandteil unserer Lehrlingsausbildung. Und wir gehen deutlich weiter und initiieren neue Formate und Möglichkeiten. Ausgehend von der Frage, wie es besser gelingen kann, Freude und Interesse für Technik in der Ausbildung zu vermitteln. Die Digitalisierung kann hier ein großer Hebel sein, um Kinder und Jugendliche mit neuen Methoden zu begeistern. Damit meine ich nicht primär den Einsatz von Tablets, sondern digitale Technologien für das Lernen und Lehren von Technik zu nutzen, um flexibler und individueller auf die Talente und Fähigkeiten eingehen zu können. Lernen soll auch Spaß machen, deshalb sollen auch Gamification-Ansätze ihren Platz haben. 2019 haben wir dazu zusammen mit vier Kärntner HTLs erstmals Smart-Learning-Pilotklassen initiiert. Themen sind zum Beispiel Industrie 4.0, Robotik, Internet of Things, Energietechnik, E-Mobility oder System-Engineering. Infineon unterstützt das zukunftsweisende Modell, indem wir Inhalte, Trainings, Hard- und Software-Anwendungen sowie eine digitale Plattform für Informationsmaterialien zur Verfügung stellen.

STANDARD: Welche Anforderungen haben Sie als CEO an Ihr Personalmanagement, die Human Resources?

Herlitschka: Wir sprechen bewusst nicht mehr von einer "Personalabteilung", sondern von HR als wichtigem strategischem Partner. Recruiting, Personalentwicklung und Adminis tration sind immer eng mit der Unternehmensstrategie und den Erfordernissen des Geschäfts zu verknüpfen und zu entwickeln. Es geht heute auch mehr denn je um Human Relations als Human Resources als wichtiges Element für eine zukunftsfähige Arbeits- und Unternehmenskultur. HR ist durch die Möglichkeiten, die etwa künstliche Intelligenz für ihre Prozesse bietet, selber vom Wandel betroffen. Sie spielt aber auch eine zentrale und, noch wesentlicher, proaktive Rolle bei der Gestaltung der digitalen Transformation.

Menschen und Know-how sind heute der entscheidende Erfolgsfaktor. Wie kommen wir heute zu Fachkräften? Wie definieren wir unseren Bedarf frühzeitig, auch angesichts der Beschleunigung, die durch Digitalisierung entsteht? Wie spiegelt sich das in der Ausbildung wider? Wie entwickelt man Fachkräfte weiter? Gemeinsam mit den Führungskräften muss HR Antworten auf solche Fragen entwickeln und Werkzeuge einer geänderten Arbeitswelt in das Unternehmen tragen. Auch vor dem Hintergrund, dass das Arbeiten in virtuellen Räumen eine immer größere Rolle spielen wird. Die Generationen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, brauchen neue Anreize und haben andere Vorstellungen, vor allem was eine ausgewogene Work-Life-Balance angeht. Gleichzeitig: Die Digitalisierung der HR darf nie für sich allein gesehen werden. Sie muss heute ganz nahe am Geschäft und an der Unternehmensstrategie agieren. Das Rad dreht sich immer weiter, deshalb entwickeln sich auch die Aufgaben einer HR ständig weiter, gerade in Zeiten der Digitalisierung. (Karin Bauer, 16.2.2020)