Dirndl auf High Heels: Andreas Kronthalers Kleid für Vivienne Westwood ist in der Modeausstellung "Show Off" zu sehen. In der Schau werden rund 250 Modeobjekte gezeigt.

Jürgen Teller für Vivienne Westwood, FW 18/19

Masken-Mode, made in Austria: das Wiener Label and-i.

Felix Vratny

Das Gerüst, 18 Tonnen schwer, sechseinhalb Meter hoch, trägt 250 Kleidungsstücke und Accessoires. Sie hängen, liegen und stehen auf dem von Architekt Gregor Eichinger entworfenen Konstrukt im Weiskirchner Trakt des Mak: die Op-Art-Spielereien von Rudi Gernreich, die farbenfrohen Entwürfe von Arthur Arbesser, die Korsetts von Marina Hoermanseder, der eigensinnige Wiener Chic der Susanne Bisovsky.

Das Gerüst lässt sich besteigen, oben können sich die Ausstellungsbesucher auf mehreren Ebenen einen Überblick über die österreichische Mode und Modefotografie (aufgezogen an den Wänden auf meterlangen Planen) verschaffen: Show Off. Austrian Fashion heißt die ambitionierte Schau, mit der die Kuratorin Ulrike Tschabitzer-Handler und ihr Co-Kurator Andreas Bergbaur, die als Gründungsmitglieder der Modeplattform Unit F in den Nullerjahren für die Förderung der heimischen Szene verantwortlich waren, eine Lücke schließen wollen: Noch nie hat es eine vergleichbare Überblicksschau der Mode in Österreich gegeben.

Poppig statt puppig

"Bloß keine klassisch brave Kostümausstellung mit großer Puppeninszenierung und distanzschaffenden Schauvitrinen" habe man im Sinn gehabt, hatte das Kuratorenduo im Vorfeld erklärt. Tatsächlich ist Show Off eher eine poppige als puppige Angelegenheit geworden. Die Macher haben keine Angst vor plakativen Bildern – keine schlechte Voraussetzung, um eine breitere Besucherschaft ansprechen zu können.

Auf eine schulbuchhafte Aneinanderreihung historischer Objekte wird verzichtet, eine lineare Erzählung der österreichischen Mode sucht man vergebens. Stattdessen wird dem Ausstellungsbesucher das heimische Modeschaffen in einem vierteiligen Parcours multimedial und assoziativ nahegebracht: Zeitzeugen und Szenemenschen wie Life-Ball-Gründer Gery Keszler oder Journalistin Elisabeth Längle werden überlebensgroß auf hängende Planen projiziert. Sie blicken zurück und in die Zukunft.

Überhaupt tut die Vielstimmigkeit der Ausstellung gut: Gleich nebenan hauchen Jil Sander, Jean-Charles de Castelbajac und Viktor & Rolf, die prominenten Gastprofessoren der Wiener Modeklasse, der Ausstellung im Rahmen einer Installation internationales Flair ein. Ihnen wird nicht nur im sprichwörtlichen Sinn der Teppich ausgerollt: Zwei Videoscreens stehen für einen Red Carpet Spalier. Im dritten Flügel, dem kleinteiligeren Teil der Ausstellung, sind in Vitrinen Magazine, Videos und Fotos untergebracht.

Das Herzstück der Schau aber bilden die auf dem monströsen Gerüst verteilten Modeobjekte. Sie wurden gemäß formalen Verwandtschaftsmerkmalen (Wiener-Werkstätte-Erbe, Konzeptmode, Fetisch) gruppiert. Hier spürt man: Die Kuratoren haben im vergangenen halben Jahr einige Recherche betrieben – auch weil sie auf keine hauseigene Sammlung zurückgreifen konnten. Selbst das Helmut-Lang-Archiv des Mak blieb unangetastet: Dem ewigen Hero der österreichischen Mode, der sich Mitte der Nullerjahre von der Modeindustrie verabschiedet hat, schwebten spezielle Stücke für die Ausstellung vor. Die vier ausgestellten schwarzen Looks des Designers, die man aus internationalen Sammlungen nach Wien gekarrt hat, wurden bis zu den Cowboystiefelspitzen von Lang abgesegnet.

Handarbeit aus den 1980ern

Hervorzuheben bei der Auswahl der Modestücke. Neben zeitgenössischen Labels wie Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood, Gon oder Femme Maison sind auch unbekanntere historische Positionen zuentdecken:die feinen HandarbeitenvonLedea Muard, die schrägen DIY-Stücke von Sissy Pink oder die ironischen Trachtenmotive von Assasyn, die aus Los Angeles nach Wien geschickt wurden. Jene Labels, die mit Ausnahme des bis heute aktiven Unternehmens Schella Kann längst das Zeitliche gesegnet haben, erzählen von einer Zeit des Aufbruchs in der österreichischen Hauptstadt.

Oswald Oberhuber führte damals die Gastprofessur an der Angewandten ein und engagierte gleich zu Beginn Stardesigner Karl Lagerfeld. Ossi Schellmann begann nach dem Vorbild der Designer-Markets in London im U4 mit der Präsentation der sogenannten U-Mode. Für die Kuratoren Gründe genug, die Zeitrechnung der Ausstellung in den 1980er-Jahren anzusetzen. Erste Ausgaben des Zeitgeistmagazins Wiener und Bilder aus dem Club U4 erzählen von jener vergangenen Euphorie, die historischen Videoaufnahmen von Größen wie Jil Sander dürften auch für eine breitere Besucherschaft interessant sein.

Manches mag bei der sehr auf Wien konzentrierten Show Off zu kurz kommen wie die Experimente des Studiengangs Fashion & Technology an der Kunstuniversität Linz. Die beiden Gastkuratoren verstehen die Schau jedenfalls als "Kick-off", als "Chance für das Mak, eine Sammlung und damit ein Image im Modebereich aufzubauen". Es wäre zu wünschen, dass Show Off erst ein Anfang war. (Anne Feldkamp, 14.2.2020)