Es braucht einen weltum spannenden, ambitionierten Plan, um den Klimawandel noch einzudämmen. In diesem Punkt sind sich Wissenschafter, Aktivisten und Politiker unterschiedlichster Richtungen einig. Green New Deal lautet das klimapolitische Schlagwort der Stunde, das unter anderem die demokra tische US-Congress-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez vor knapp einem Jahr mit einem 14 Seiten langen – für Kritiker noch etwas vagen – Konzept in die Diskussion eingebracht hat.

Der Green New Deal beinhaltet keine vereinzelten Klimaschutzmaßnahmen, sondern fordert nicht weniger als eine ökologische Wende der gesamten Industrie. Dazu soll die Energieversorgung komplett auf Erneuerbare umgestellt und ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. So sollen nebenbei auch Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit verschwinden. Kann das gelingen?

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Um den Klimawandel zu besiegen, muss die "marktliberale Ideologie geschreddert werrden", schreibt die kanadische Aktivistin und Bestsellerautorin Naomi Klein.
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Es kann, meinen die Aktivistin Naomi Klein und der Ökonom Jeremy Rifkin. Nur über das Wie haben sie unterschiedliche Ideen, die sie in zwei kürzlich erschienenen Büchern ausbreiten.

Klein macht vor allem den Kapitalismus für die Klimakrise verantwortlich. Das stellte Naomi Klein bereits 2015 auf 700 leidenschaftlich argumentierten Seiten in Die Entscheidung fest, nun setzt sie ihre Message in einer Sammlung von 18 Essays und Reden der letzten Jahr fort. On Fire lautet der englische Titel – und er wird dem Tonfall gerecht. Klein will aufrütteln, bedient sich drastischer Worte und wird dabei bisweilen gar sehr alarmistisch, um ihre Botschaft zu vermitteln: Der Klimawandel passiert jetzt und wird mit jeder weiteren Minute, in der wir nicht handeln, unberechenbarer und zerstörerischer.

Wobei mit "wir" explizit nicht der Einzelne gemeint ist. "Die Last ruht nicht allein auf Ihren Schultern", sagte sie in einer Abschlussrede vor Collegeabsolventen. Es sei notwendig, "aus der Vereinzelung auszubrechen", wo sich politische Überzeugungen nur durch vegane Ernährung, die Wahl eines nachhaltigen Modelabels oder Flugscham ausdrücken. Klar, der Konsum gehöre gezügelt, aber die Klimarevolution wird keine Bewegung der Verbraucher, sondern vor allem der Politik sein.

Einwanderungspolitik als "Klimabarbarei"

Und die habe versagt, das macht Klein immer wieder deutlich. Sie spricht wenig über CO2-Konzentrationen und Temperaturanomlien, es geht um die Schicksale der Ärmeren, Indigenen, Geflüchteten, die sich kaum vor dem Klimawandel schützen können. Die Klimakrise sei vor allem ein soziales Problem. Umweltstandards zu senken und gleichzeitig strengere Gesetze gegen Flüchtlinge, die häufig aus klimawandelgeplagten Gebieten fliehen, darin ortet Klein "den Anfang der Klimabarbarei".

Die Politik habe sich zu stark auf Marktmechanismen wie den Emissionshandel und einen ökonomischen Trickle-down-Effekt verlassen. "Wir müssen einen Krieg führen gegen CO2-Verschmutzung und Armut, gegen Rassismus und Kolonialismus und gegen die Verzweiflung", schreibt Klein. Das gehe nur, wenn wir "mit allen Spielregeln des freien Markts brechen, und zwar bald."

Die Kohlenstoffblase wird bald platzen, prognostiziert Rifkin.
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2028 platzt die Blase

Der Ökonom Jeremy Rifkin sieht den Markt hingegen als Chance: Ihm sei es zu verdanken, dass wir kurz vor einer industriellen Revolution stehen. Wind- und Sonnenenergie machen eine rasante Entwicklung durch, sind in vielen Fällen jetzt schon günstiger als Strom aus fossilen Quellen. Bald werde auch der Punkt erreicht sein, an dem Elektroautos günstiger sind als Verbrenner.

All die Kohlekraftwerke, Ölplattformen und Pipelines werden deshalb schon bald wertlos, die in fossile Unternehmen investierten Milliarden, Billionen verbrannt sein. Es ist die sogenannte Kohlenstoffblase, die bald platzen wird. "Sie verspricht die größte ökonomische Blase aller Zeiten zu werden", warnt Rifkin.

Erneuerbare Energien werden sehr bald billiger sein als fossile, ist Rifkin überzeugt.
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Viele Anleger hätten die Zeichen erkannt und ihre Gelder aus dem fossilen Energiesektor abgezogen. Eine große Rolle spielen dabei öffentliche und private Pensionsfonds. Diese seien nämlich – und das ist laut Rifkin "das best gehütete Geheimnis der modernen Geschichte des Kapitalismus" – der größte Investmentpool der Welt. Zusammen verwalten sie rund 41 Billionen US-Dollar, eine enorme finanzielle Macht in einer "Armee von Kleinkapitalisten". Genau sie sind es, die das "Mündigwerden des Sozialkapitalismus" einleiten, wobei "soziales Engagement ins Geschäftsmodell integriert ist". 150 Städte und Regionen weltweit haben bereits damit begonnen.

Den "unvermeidlichen Zusammenbruch der fossil befeuerten Zivilisation" datiert Rifkin merkwürdig genau auf das Jahr 2028. Verantwortlich dafür werden vor allem Marktkräfte sein, er gibt aber zu, dass die "unsichtbare Hand" alleine nicht alles richten wird. Rifkin fordert, dass Staaten die sozialen Auswirkungen der grünen Revolution abfedern – durch CO2-Bepreisung, öffentliche Infrastruktur, aber auch Reichen- und Erbschaftssteuer – wo er mit Naomi Klein wieder ziemlich auf einer Linie liegt. (Philip Pramer, 16.2.2020)

Naomi Klein
"Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann"
€ 24,70 / 351 Seiten.
Hoffmann und Campe, Hamburg 2019
Cover: Hoffmann und Campe
Jeremy Rifkin
"Der globale Green New Deal: Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert – und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann"
€ 27,70 / 319 Seiten.
Campus, Frankfurt 2019
Cover: Campus Verlag