King George Island in der Antarktis: Eisstücke driften nahe dem Collins-Gletscher auf dem Meer.
Foto: Mathilde BELLENGER / AFP

Potsdam – Angesichts stark bevölkerter Küstengebiete – inklusive Millionenstädten – ist es eine entscheidende Frage, wie sehr der Meeresspiegel in naher und mittlerer Zukunft ansteigen wird. Ein internationales Wissenschafterteam hat nun eine Studie präsentiert, in der Prognosen bis zum Jahr 2100 versucht werden. Die Bandbreite der bei den Berechnungen erzielten Werte ist allerdings beträchtlich, wie Hauptautor Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) einräumt.

Faktor Antarktis

Bisherige Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der globalen Erwärmung berücksichtigten vor allem die thermische Ausdehnung des sich erwärmenden Meerwassers sowie schmelzende Gebirgsgletscher als wichtigste Faktoren für den Anstieg des Meeresspiegels. Auch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds spielt eine Rolle.

Den jetzt in der Zeitschrift "Earth System Dynamics" der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) veröffentlichten neuen Forschungsergebnissen zufolge dürfte jedoch der Anteil der Antarktis bereits in absehbarer Zeit zum wichtigsten Faktor werden.

"Die größte Unbekannte"

Die folgenden Werte beziehen sich ausschließlich auf den Beitrag der Antarktis zum Meeresspiegelanstieg: Bei unvermindertem Treibhausgasausstoß liege der wahrscheinliche Effekt zwischen sechs und 58 Zentimetern, heißt es in der Studie. Immerhin: Noch weiter als 58 Zentimeter werde der Anstieg aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Ende des Jahrhunderts nicht gehen.

Gelinge es dagegen, die Emissionen rasch zu verringern, liege die Spanne zwischen vier und 37 Zentimetern. "Der Antarktis-Faktor erweist sich als die größte Unbekannte, aber dadurch auch als das größte Risiko für den Meeresspiegel weltweit", so Levermann. Er betonte, die neuen Forschungsergebnisse lieferten vor allem wichtige Informationen für den Küstenschutz.

"Je mehr Computersimulationsmodelle wir verwenden, die alle leicht unterschiedliche dynamische Repräsentationen des antarktischen Eisschildes sind, desto größer ist die Bandbreite der Ergebnisse, die wir bekommen – aber desto robuster sind auch die Schätzungen, die wir der Gesellschaft liefern können", erklärte Ko-Autorin Sophie Nowicki vom NASA Goddard Space Flight Center. Zwar gebe es "immer noch große Unsicherheiten", doch sei es gelungen, das Verständnis des größten Eisschildes der Erde beständig zu verbessern.

Auf längere Sicht, also in den kommenden Jahrhunderten bis Jahrtausenden, hat das Abschmelzen des antarktischen Eisschildes der Studie zufolge das Potenzial, den Meeresspiegel um Dutzende Meter anzuheben. "Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas die Risiken für die Küstenmetropolen von New York bis nach Mumbai, Hamburg oder Shanghai weiter in die Höhe treibt", warnte Levermann.

Das Gesamtbild

So weit die befürchteten Konsequenzen der Schmelze in der Antarktis – dazu kommen jedoch noch die restlichen Faktoren wie die Schmelze in Grönland und bei Gebirgsgletschern sowie die wärmebedingte Ausdehnung der Ozeane. All dies zusammengerechnet, könne es zu einem Meeresspiegelanstieg um bis zu 150 Zentimeter kommen, sagte Levermann mit Blick auf den Zeitraum bis Ende des Jahrhunderts. Zum Vergleich: In den zurückliegenden 100 Jahren habe es einen Anstieg um insgesamt etwa 19 Zentimeter gegeben. (APA, red, 14. 2. 2020)