Das Nationaltheater Gent widmet sich der (kolonialen) Vergangenheit Belgiens und gastiert in St. Pölten.

Michiel Devijver

Europa hat seinen Reichtum der Ausbeutung des globalen Südens zu verdanken. Dafür gibt es allmählich Einsicht, doch es bleibt die Frage, wie mit dieser "Erbschuld" umgehen, wie sie "begleichen"? Im Stück Black beschäftigt sich der belgische Regisseur Luk Perceval mit der kolonialen Vergangenheit seines Landes. Am Nationaltheater Gent erarbeitet er eine nach den Farben der belgischen Flagge benannte Trilogie: Black,Yellow und Red. Alle drei Stücke werden auch am Landestheater Niederösterreich zu sehen sein. Denn in dieser Sache wollen die beiden Theaterhäuser erstmals koproduzieren.

NTGent

Landestheaterintendantin Marie Rötzer beabsichtigt – ähnlich wie das Burgtheater – das St. Pöltner Theater in einem größeren, europäischen Kontext zu verorten und damit auch gleich über den Tellerrand der innereuropäischen Perspektiven hinauszuweisen. Black handelt vom belgischen Raubzug durch den Kongo-Freistaat, der König Leopold II. bei der Berliner Kongokonferenz 1884/85 als Privatkolonie zugesprochen wurde.

Hauptaktionär der Konzessionsgesellschaften war der König selbst. Er ist für grausamste Repressionen und die genozidale Hinschlachtung von acht bis zehn Millionen Menschen verantwortlich, das war etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung des zentralafrikanischen Landes. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht der afroamerikanische Missionar William Henry Sheppard, der für das bis heute in Belgien weitgehend verdrängte Verbrechen erst Aufmerksamkeit schuf.

Nazi-Kollaborateure

Ist dieses erste Stück der Trilogie, Black, noch ein Gastspiel (14. 2.), so wird für Yellow, das im Oktober Österreich-Premiere haben soll, bereits gemeinsam produziert, u. a. ist Schauspieler Philip Leonhard Kelz vom Landestheater Niederösterreich in Percevals Team und wird vor Ort in Gent proben. Weiterer Koproduktionspartner ist die französische Manège Maubeuge. Yellow untersucht die Rolle der belgischen Kollaborateure während des Nationalsozialismus. Das dritte Stück der Trilogie, Red, befasst sich mit den Terroranschlägen in Brüssel 2016 und wird 2020/21 in Niederösterreich laufen.

Die neue Zusammenarbeit zwischen St. Pölten und Gent ist auch Frucht der von NT-Gent-Leiter Milo Rau ausgegebenen Arbeitspraxis. Sein 2018 veröffentlichtes Manifest sieht vor, dass Inszenierungen in mindestens drei Ländern laufen müssen. Auch Vielsprachigkeit ist sein Gebot. (Margarete Affenzeller, 14.2.2020)