Es gibt kein richtiges Regieren im falschen. Wenn sich die Grünen dieses Umstandes nicht bald bewusst werden, werden sich noch größere Teile einer an der Leimrute der Message-Control pickenden Wählerschaft an den absolutistischen Herrschaftsanspruch von Sebastian Kurz und seiner Clique so gewöhnt haben, dass sie als die 14 Prozent des Besten aus zwei Welten gar nicht mehr wahrgenommen werden, weil Teilen im türkisen Programm nicht vorgesehen ist. In der Schmierentragikomödie, in die der Bundeskanzler die kritische Situation der österreichischen Justiz für seine Zwecke umzufunktionieren trachtet, war der Justizministerin nur noch die Rolle einer Statistin am runden Tisch zugedacht, wo man sie sich in einer Hauptrolle herbeigesehnt hätte. Da war die Eckigkeit des Tisches ein schwacher Trost.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Was Kurz da bot, sah nach einem Versuch aus, sich eine Richtlinienkompetenz des Kanzlers, die es in Österreich nicht gibt, über die Justiz zu erschleichen, um hochrangig vernaderten Staatsanwälten Ermittlungen in der Casinos-Affäre gegen Parteifreunde zu verleiden. Demnächst ist vielleicht der Gesundheitsminister dran, wenn er Unfug aus der türkis-blauen Periode von Kurz zu korrigieren beabsichtigt.

Aber vielleicht ist ja alles ganz anders, musste Kurz doch mit 22- (in Worten zweiundzwanzig!) jähriger Verspätung eine rote Justizverschwörung aufdecken, und man kann nur hoffen, es war nicht zu spät. Er musste kommen, sonst hat es ja niemand gewagt! Jetzt kann man nur hoffen, dass der von ihm als Präsident des Verfassungsgerichtshofes vorgeschlagene Kandidat nicht ein Schläfer aus der Kanzlei von Gabriel Lansky ist. Schon dass er keiner Partei angehört, ist verdächtig, und den Roten ist alles zuzutrauen. Dass Kartellbrüder und Burschenschafter Richter werden wollen, ist als normaler Lauf der heimatlichen Welt nicht weiter zu hinterfragen, gibt aber Sozialdemokraten noch lange nicht das Recht, unser Gerichtswesen zu unterwandern. Wenn sich ein solcher von Kurz enthüllter Skandal so gar nicht in Personalvertretungswahlen widerspiegelt, zeigt das nur, wie raffiniert die vorgehen. Hoffentlich haben Kurz und sein eiserner Justizbesen Karoline "Das Mascherl" Edtstadler die Grünen auch gut im Griff, wenn die nun eine Vizepräsidentin des Höchstgerichts nominieren dürfen.

Für die 22-jährige Verspätung kann Kurz nichts. Aber dass er die Krise in der Justiz nicht schon 2017 oder 2018 angesprochen hat – dramatisch war sie schon damals –, lässt doch Zweifel aufkommen, ob sein urplötzlich intensives Interesse sich eher aus der Sorge um deren Funktionieren als aus der Sorge um Parteifreunde speist. Traurig, wenn seine Größe nicht einmal dort gewürdigt wird, wo man es erwarten könnte. Von einem "unsensiblen Kanzler, mehr Parteichef als Kanzler" sprach Sonntag "Die Presse". Aber Rehabilitierung naht. Wenn er demnächst als Zeuge die beiden hochrangigen Journalisten zu Wort kommen lässt, die ihn von staatsanwaltlichem Amtsmissbrauch informierten – und das tut er ganz gewiss –, wird das sein Triumph. Kann er doch damit nachdrücklich beweisen, dass es keiner grünen Ministerin bedarf, um die Justiz zu retten. (Günter Traxler, 13.2.2020)