Mehrweg-Gebinde sind in Österreich auf einem absteigenden Ast: Ihr Anteil im Verkauf sank von 60,8 Prozent im Jahr 1997 auf 18,4 Prozent im Jahr 2018.

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Recycling von Getränkeflaschen ist die umweltfreundlichste Lösung des Plastikproblems. Richtig? Nicht so ganz – zu diesem Schluss kommt zumindest eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie des Österreichischen Ökologie-Instituts. Der Tenor der Umwelt-NGO: Recycling sei nur die zweitbeste Lösung, man solle lieber auf die Förderung von Mehrweg-Gebinden setzen.

"Recycling hat dramatische Grenzen. Mehrwegflaschen sind unbestritten die beste Lösung" – zu diesem Schluss kommt Studienautor Gerhard Vogel. Warum das? Beim Recycling wird die Struktur der Getränkegebinde zerstört, wobei schon beim ersten Wiederverwertungszyklus bis zu 50 Prozent der Materialien verloren gehen. Bei der stetig steigenden Nachfrage nach Glas- und Plastikflaschen müssen also ständig neue Rohstoffe herangeschafft werden.

Mehrweg hat die Nase vorn

Mehrwegflaschen werden hingegen nur gereinigt, neu etikettiert und wieder befüllt. Zum Vergleich: Beim Recycling von Glasflaschen werden diese unter hohem Energieaufwand bei 1.680 Grad Celsius eingeschmolzen. Die Reinigung von Mehrwegflaschen bedarf hingegen nur eines halben Liters 80 Grad warmen Wassers.

Vor dem Comeback? Die Milchflasche aus Glas soll im ersten Quartal 2020 bei einigen Händlern ins Sortiment zurückkehren, heißt es beim Handelsverband.
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Mehrwegflaschen aus Glas könne man bis zu 40-mal neu befüllen, jene aus Plastik bis zu 20-mal, heißt es in der Studie. Doch bereits an dieser Stelle hört man kritische Stimmen aus der Wirtschaft. "In der Praxis kann man etwa Glasflaschen nur viermal neu befüllen, weil es bei den Gebinden zu Verschmutzungen oder vorzeitigem Bruch der Gebinde kommt", gibt etwa Gerald Kühberger, Pressesprecher des Handelsverbands, zu Protokoll. Auch hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit der Mehrwegflaschen gibt es Zweifel. Hier verweist der Verband der Getränkehersteller auf eine Studie des IFEU-Instituts aus dem Jahr 2011. Demnach sind Mehrweg-Glasflaschen im Vergleich zu Einweg-Plastikflaschen nur dann klimafreundlicher, wenn sie im Umkreis von 60 Kilometern vertrieben werden. Dies vor allem deshalb, weil Glasflaschen schwerer als Plastikflaschen sind, wodurch im Transport mehr Schadstoffe anfallen.

Eine Quote soll es richten

Mehrweg-Gebinde sind in Österreich auf einem absteigenden Ast: Ihr Anteil im Verkauf sank von 60,8 Prozent im Jahr 1997 auf 18,4 Prozent im Jahr 2018. Greenpeace fordert deshalb die Einführung von verpflichtenden Quoten für Lebensmitteleinzelhändler mit einem Marktanteil über fünf Prozent. Zuckerbrot und Peitsche sollen sicherstellen, dass die Supermärkte spuren: Wird die Quote erfüllt, werden Boni ausgezahlt, wenn nicht, werden Strafen fällig.

Vom Aussterben bedroht: Mehrwegflaschen aus Glas und Plastik.
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Die Forderung sorgt für Empörung aufseiten der Lebensmittelwirtschaft. "Teuer, bürokratisch und wettbewerbsvezerrend" nennt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, die Quotenforderung: "Das käme einer Supermarktsteuer gleich." Der Verband der Getränkehersteller spricht von einem "theoretischen Konstrukt, das nicht funktionieren kann". Beistand gab es auch von der Wirtschaftskammer: "Die Einführung aufwendiger Mehr- oder Einwegregulative nimmt den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was für sie richtig ist, und daher der falsche Weg", heißt es vom WKO-Experten Stephan Schwarzer.

EU-Ziele in Gefahr

Österreich, so viel steht fest, produziert zu viel Abfall und recycelt zu wenig. Die EU-Ziele hinsichtlich der Wiederverwertung von Plastik sind nach jetzigem Stand in weiter Ferne. Die Erreichung dieser Ziele läge aber auch in ihrem Interesse, heißt vonseiten des Handels, der Getränkehersteller und der WKO.

Fast Europameister? In Österreich leider nur beim Plastikabfall.
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Gefragt ist also die Regierung. Die hatte bereits Ende Jänner eine Studie publiziert, in der verschiedene Varianten zur Umsetzung der "Single-Use-Plastic"-Richtlinie der EU vorgestellt wurden. Die Vorschläge reichen von einer besseren Trennung von Siedlungsabfällen bis zur Einführung eines Pfandsystems.

Umweltministerium will runden Tisch abwarten

Das zuständige Umweltministerium will sich bei der Umsetzung allerdings nicht hetzen lassen. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) lud zum runden Tisch. Dort solle die Sachlage mit allen Anspruchsträgern auf wissenschaftlicher Basis diskutiert werden. Konkrete Pläne gebe es noch nicht, die EU-Richtlinie sei aber auf jeden Fall umzusetzen, hieß es am Donnerstag aus dem Ministerium. (Tobias Kachelmeier, 13.2.2020)