Die letzte Reform im österreichischen Mietrecht ist lange her.

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Das österreichische Mietsystem? "Teuer, unsicher, streitanfällig, bürokratisch, intransparent und ungerecht", so lautet das Fazit der deutschen Studie zum Wiener Wohnungsmarkt. Nach der Lektüre des 89-seitigen Papiers ist man geneigt, vorsichtig aus dem Fenster zu lugen. Weil man denkt, die Massen an verzweifelten Wohnungssuchenden, die in letzter Zeit in den (auch sozialen) Medien recht präsent sind, müssten doch in Wien auf der Straße stehen, und nicht in München oder Berlin.

So schlimm ist es bei uns also noch nicht. In Österreich läuft nämlich grundsätzlich auch immer alles ein wenig gemächlicher ab. Das sieht man an der Wohnpolitik recht deutlich. Kleinere Eingriffe gibt es zwar immer wieder und offenbar auch viel häufiger als in Deutschland ("permanente Reformen im Detail sind an der Tagesordnung", schreiben die Autoren der Studie etwas verwundert). Die letzte große Reform im Mietrecht ist aber 26 Jahre her. Das System aus Wohnungsgemeinnützigkeit und Wohnbauförderung besteht im Wesentlichen noch länger.

Gemeinnützigkeit abgeschafft

In Deutschland ist man da radikaler. Man könnte auch sagen: entscheidungsfreudiger. Die Gemeinnützigkeit wurde dort 1990 kurzerhand komplett abgeschafft, kurz danach wurden hunderttausende kommunale Wohnungen an Investoren verkauft. Nun, mit dem zuletzt stark gewachsenen Druck auf die Wohnungsmärkte der Ballungsräume, schlägt das Pendel wieder massiv in die andere Richtung aus.

Mietpreisbremse, Kappungsgrenze, Mietendeckel, Rekommunalisierung von bereits verkauften Wohnhäusern und sogar Enteignungen bestimmen die Diskussionen in Berlin und anderen Großstädten. Das lässt wiederum österreichische Beobachter verdutzt nach Deutschland blicken. Gleich so radikal? Nein, so muss es dann auch nicht sein. (Martin Putschögl, 14.2.2020)