Auf den ersten Blick wirkt Arrokoth wie ein rötlicher Schneemann. Tatsächlich aber besteht der Brocken aus einer flachen "Kartoffel" und einem "Pfannkuchen".
Foto: NASA, JHU's APL, SwRI

Seit vergangenem November heißt es offiziell Arrokoth, bekannter ist es allerdings unter dem informellen Namen Ultima Thule oder – unter Fachleuten – als (486958) 2014 MU69: Gemeint ist jenes Objekt im fernen Kuipergürtel am Rand des Sonnensystems, an dem New Horizons am 1. Jänner 2019 in einem Abstand von nur 3500 Kilometern vorüberflog. Es war das zweite Ziel der Nasa-Sonde, nachdem sie dreieinhalb Jahre zuvor den Pluto passiert hatte.

Arrokoth ist bislang das fernste Objekt, das von einer Raumsonde aus der Nähe beobachtet werden konnte. Die Aufnahmen von dem 6,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernten Brocken offenbarten unter anderem sein reichlich kurioses Aussehen: Er setzt sich aus zwei, wie es zunächst schien, kugelförmigen Bestandteilen mit einer Gesamtlänge von 31,7 Kilometern zusammen, die einander berühren und so aus einem bestimmten Blickwinkel an einen Schneemann erinnern.

Flacher als vermutet

Inzwischen weiß man, dass die beiden seit Jahrmilliarden miteinander verbundenen Teilstücke keineswegs so ebenmäßige Sphären sind. Vielmehr handelt es sich bei der größeren Hälfte um ein eher linsenförmiges Objekt, während die kleinere Hälfte einer verbeulten Kartoffel gleicht. Aufnahmen, die New Horizons schoss, als sich die Sonde bereits wieder entfernte, zeigten, dass Arrokoth damit deutlich flacher ist, als die ersten Bilder vermuten ließen. Woraus die Oberfläche des Objekts aus der Frühzeit des Sonnensystems besteht und wie es letztlich entstanden ist, gab den Forschern bisher Rätsel auf. Drei nun im Fachblatt Science veröffentlichte Arbeiten liefern erstmals einige Antworten auf diese Fragen.

Video: Die seltsame Form von Arrokoth.
NASA Video

Die ersten im Mai 2019 veröffentlichten Studien zu Arrokoth basierten auf nur wenigen Daten, die unmittelbar nach der Passage von New Horizons die Erde erreichten. Die neuen Untersuchungen hingegen gründen auf mehr als zehnmal so vielen Informationen aus dem Vorbeiflug. Zusammen ergeben sie ein weitaus differenzierteres Bild über die Zusammensetzung von Arrokoth. Mehr noch: Die Daten liefern Hinweise darauf, wie solche ursprünglichen planetaren Bausteine – sogenannte Planetesimale – gebildet wurden.

Sanfte Annäherung

In der ersten Studie kommen William McKinnon von der Washington University und sein Team auf Basis von Simulationen zu dem Schluss, dass die beiden Hälften von Arrokoth zuvor unabhängige Körper waren, die in unmittelbarer Nähe zueinander gebildet wurden. Erst nach und nach dürften sich diese vergleichsweise sanft zu dem heutigen Objekt zusammengefügt haben. Dies geschah vermutlich in einer lokalen Kollapswolke der frühen protoplanetaren Scheibe – und nicht, wie bisher angenommen, durch sogenannte hierarchische Akkretion, bei der Objekte aus verschiedenen Teilen des Nebels kollidierten, um größere Objekte zu bilden.

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Bilder von Arrokoth während der Annäherung von New Horizon am 1. Jänner 2019.
Foto: AP/NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Eine weitere Arbeit hatte die Geografie von Arrokoth im Visier. Die im Vergleich zu ähnlichen Objekten des Sonnensystems eher kraterarme Oberfläche bedeutet nach Meinung von John Spencer und seinen Kollegen vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, dass sich der Himmelskörper seit dem Ende der Planetenbildung praktisch nicht verändert hat. Aus der Kraterdichte schließen die Forscher auf ein Alter von mindestens vier Milliarden Jahren, was die Ergebnisse der vorangegangenen Studie stützt, dass Arrokoth in einer Kollapswolke der protoplanetaren Scheibe geboren wurde.

Offene Fragen

Die dritte, von einer Gruppe um Will Grundy vom Lowell Observatory in Flagstaff, Arizona, verfasste Studie schließlich widmete sich der Zusammensetzung, Farbe und Temperatur von Arrokoths Oberfläche. Das Ergebnis: Der ferne Himmelskörper ist erwartungsgemäß äußerst kalt, stellenweise mit Methanoleis bedeckt und von einem gleichmäßig rötlichen Farbton, der auf vorerst nicht näher bestimmte komplexe organische Moleküle zurückgeht. Wie sich Methanol auf diesem Objekt gebildet haben könnte, ist noch unklar. Die Forscher vermuten jedoch, dass das Zusammenspiel von kosmischer Strahlung, Wasser und Methaneis dafür verantwortlich sein könnte. (Thomas Bergmayr, 14.2.2020)