Die aufgedeckte Rubikon-Spionage-Affäre sorgt derzeit für Empörung. Sie ist klassisches Material für Agentenfilme, allerdings aus einer längst vergangenen Zeit. Spionage funktioniert heute anders und noch viel flächendeckender und exzessiver, als es sich die Geheimdienste hinter der Crypto AG damals zu erträumen vermochten. Das haben allerspätestens Edward Snowdens Enthüllungen rund um das globale Abhörprogramm der NSA gezeigt.

Der von Snowden aufgedeckte Spionageskandal war und ist der größte der Welt – bisher wohlgemerkt. So überwältigend der britische oder der US-Spionageapparat auch sein mögen – ranghohe westliche Ex-Geheimdienstler warnen wohl nicht ganz zu Unrecht vor den Fähigkeiten geschlossener, technisch hochentwickelter, autoritärer Systeme. Sie würden die schlimmsten Vorstellungen, die wir derzeit von Spionage und Überwachung haben, weit übertreffen. Gemeint sind die Lieblingsfeinde der USA: Russland, der Iran und China.

BND und CIA stehen im Mittelpunkt des aktuellen Spionageskandals.
Foto: imago/Christian Ohde

Alle dazu fähigen Staaten hören einander ab und spionieren sich gegenseitig aus, auch Alliierte, wie das angezapfte Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte. Nur sind einige Staaten eben sehr viel fähiger als andere. Das hat mit den extrem hohen Investitionen in Technologie, aber auch mit lokalen Gesetzen zu tun:

In Zeiten selbstlernender Algorithmen, schneller Quantencomputer, eingebauter Backdoors und umfassender Überwachung werden solche Regime in Sachen Spionage einen entscheidenden Vorteil gegenüber westlichen, offenen Demokratien nützen können. Sie scheren sich nicht um die Privatsphäre ihrer Bürger oder Gesetze, die den Informationsfluss an ihre Geheimdienste behindern könnten. Westliche Spione haben es deshalb ungleich schwerer als ihre Branchenkollegen aus China oder Russland.

Starke Spionagefähigkeiten

Westliche Spione, die sich in China nahe einer Bar mit vielen US-Bürgern aufhalten, plötzlich Interesse für Onlinegaming – Chats sind ein beliebter Ort zum Austausch von Infos – zeigen oder verdächtigen Mobilfunkverkehr aufweisen, werden von den Algorithmen erkannt und genauer beobachtet. Verdecktes Einreisen von Spionen nach China ist seit der Gesichtserkennungssoftware ohnehin passé. Wenn Europäer hingegen (zu Recht) gegen den Einsatz der Software im eigenen Land protestieren, jubilieren Chinas Geheimdienste. Sie nützen schamlos alle Vorteile einer freien Gesellschaft.

Gleichzeitig verschwimmt das Feld der Spionage zusehends. Konnten früher Spione und Kombattanten noch klar unterschieden und entsprechend behandelt werden, so wird es künftig immer schwieriger, einzuschätzen, welche Motive hinter bestimmten Tätigkeiten stecken. Stammen russische Spuren auf heimischen Servern von gelangweilten Technikfreaks, einer staatlich gelenkten Hackergruppe oder doch nur von herkömmlichen Spionen? War es vielleicht ein waschechter Cyberangriff, der Vergeltungsangriffe – auch mit konventionellen Waffen – zur Folge haben könnte?

Um dies im Zweifelsfall korrekt zu beurteilen, müssen die eigenen Cyber- und Spionagefähigkeiten – in diesem Falle jene der EU – stark sein. Das müsste allerspätestens seit dem Auffliegen der Snowden-Leaks der Konsens aller Mitgliedsstaaten sein. Wer darauf verzichtet, sich adäquat gegen die neuen Formen von elektronischer Spionage und Cyberangriffen zu schützen, droht in Sicherheitsfragen ins Hintertreffen zu geraten. (Fabian Sommavilla, 13.2.2020)