Hosiner pausiert, nach der fünften gelben Karte ist er gesperrt. Nur so kann er derzeit am Toreschießen gehindert werden.
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Philipp Hosiner treibt Psychospielchen. Seine letzten beiden Elfmeter hatte der Angreifer des Chemnitzer FC jeweils mit einem Schuss in die Mitte verwandelt. Das könnte sich bis zum Goalie des Hallescher FC herumgesprochen haben. Bleibt der Torhüter stehen, sieht der Schütze schlecht aus. Wagt er es? Hat Hosiner die Chuzpe? Er hat sie. Der Torhüter fliegt ins Eck, der Ball kerzengerade ins Tor. Die Szene vom vergangenen Wochenende ist bezeichnend für die bisherige Saison des 30-Jährigen – es haut einfach alles hin.

Als der Burgenländer im September des Vorjahres beim deutschen Drittligisten unterschrieb, war der Fußball im Stadion an der Gellertstraße ein einziges Trauerspiel. Keine Siege, keine Punkte, kein Vergnügen. Was also zog den Österreicher nach Sachsen? "Ich wollte nicht mehr Stürmer Nummer drei sein", sagt Hosiner zum STANDARD. In Chemnitz gab es die Aussicht auf regelmäßige Einsätze. "Man hat sich um mich bemüht, so einen Verein habe ich gesucht." Der ehemalige Teamspieler rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen mit Treffern am Fließband. Er führt, obwohl erst seit der achten Runde im Einsatz, mit 15 Toren die Schützenliste an. Einen Ligarekord hat er bei der Gelegenheit auch gleich aufgestellt, vier Spiele in Folge traf er doppelt – das gab’s noch nie.

Lebensversicherung

Mittlerweile hat sich der Chemnitzer FC als Tabellen-16. aus der Abstiegszone befreit, Hansa Rostock bezwungen, den 1. FC Kaiserslautern geschlagen. Der Österreicher traf in beiden Begegnungen. "Man hat uns abgeschrieben, jetzt sind wir über dem Strich, das haben wir uns verdient." Hosiner hebt die Mannschaftsleistung und das Spielsystem hervor. "Ich bekomme die Bälle ideal serviert." Die Medien bezeichnen den Neuzugang indes als "Lebensversicherung des CFC", er ist "Der Bomber aus dem Burgenland".

Am Jubeln: Hosiner und seine Mitspieler Rafael Garcia und Tarsis Bonga.
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Dabei stand Hosiner in Österreich bereits auf dem Abstellgleis, Sturm Graz konnte in der Vorsaison wenig mit ihm anfangen. "Vor allem die Zeit unter Roman Mählich war kein Spaß. Ich habe mich vorbildlich verhalten, aber keine ernsthafte Chance bekommen."

Das Leben des Philipp Hosiner ist ein Auf und Ab der Extraklasse. 2010 absolvierte er ein Probetraining bei der Vienna, ein Jahr später folgte bereits das Debüt im Nationalteam. Er schoss die Austria zum Meistertitel und traf in der Champions League. Einem glücklosen Engagement bei Stade Rennes in Frankreich sollte ein Transfer zum 1. FC Köln folgen. Der Medizincheck in Deutschland endete mit einem Schock. An Hosiners Niere wurde ein zwei Kilogramm schwerer Tumor entdeckt: "Da wurde mir in einer Sekunde klar, was im Leben tatsächlich zählt."

Mittlerweile fühlt sich Hosiner längst wieder pumperlgsund, eine dreißig Zentimeter lange Narbe ziert seinen Oberkörper als Andenken. Einen Lungenkollaps im Jahr 2016 hat das Stehaufmännchen ebenso gut überstanden. "Ich musste immer wieder ganz unten anfangen. Und ich habe mich immer wieder zurückgekämpft. Ich habe nie an mir gezweifelt."

Lebensweisheiten

Nun bleibt der Wagen in dieser Achterbahnfahrt also vorerst oben stehen. Das Erfolgsrezept klingt ebenso simpel wie einleuchtend: "Ich habe wieder Freude am Spiel, diese Liga macht Spaß." Der Zuseherschnitt liegt bei rund 9000 Besuchern, die Infrastruktur kann sich sehen lassen. Und das sportliche Niveau? "Es gibt kein Red Bull Salzburg, auch keinen LASK, vor den anderen österreichischen Klubs müssen wir uns aber nicht verstecken."

Neben der sportlichen Krise hatte der CFC in dieser Saison eine weitere große Baustelle offen. Der Vertrag von Kapitän Daniel Frahn wurde im August mit sofortiger Wirkung gekündigt. Frahn wurde Nähe zur rechtsextremen Szene vorgeworfen, nachdem er sich bei einem Auswärtsspiel mit entsprechenden Gruppierungen aufgehalten hatte. Frahn selbst beteuerte, kein Nazi zu sein. Der Prozess endete mit einer außergerichtlichen Einigung. "Das Thema ist vom Tisch, es ist Ruhe eingekehrt", sagt Hosiner.

Chemnitz mag nicht das Zentrum urbanen Lebens sein, der Österreicher fühlt sich in der Industriestadt dennoch pudelwohl. "Ich habe Restaurants, habe meine Freunde, und meine Frau wohnt nicht weit weg in Berlin. Mir geht es um den Fußball, egal ob München, Berlin oder eben Chemnitz."

Hosiner blickt nicht in die Zukunft. Er hat zu viel erlebt, um langfristig zu planen. "Ich freue mich über jeden Tag. Ich weiß den Moment zu schätzen." Und der nächste Elfer? Denkt er so weit? Wieder durch die Mitte? "Das entscheide ich spontan." (Philip Bauer, 14.2.2020)