Lily mit Jack. "Ein ganz gewöhnliches, typisches Frauenschicksal, geradlinig und mit leisen Tönen erzählt."

Foto: privat

Manchmal sind es die kleinen Geschichten, unaufdringlich, ohne großen Anspruch geschrieben, die zu beeindrucken vermögen und die man vielleicht nicht zufällig in Verlagen findet, die mehr an den Rändern des Literaturbetriebs angesiedelt sind.

Lily und Jack ist so eine Geschichte, erschienen in der Edition Winkler-Hermaden im Weinviertel, eine Zeitgeschichte, die in den 1930er- und 1940er-Jahren in Graz und im Südburgenland spielt, und man darf wohl davon ausgehen, dass es sich um keine erfundene handelt (das legt schon das Foto am Umschlag nahe) und dass die Autorin jene Lily, der wir als Kind und als junge Frau mit ihren bescheidenen Ansprüchen ans Leben begegnen, persönlich gekannt und bis zu ihrem Lebensende begleitet hat.

Eine Kleine-Leute-Geschichte

So bezeugen es die wenigen dazwischengeschobenen Erzählerkommentare, die das Erzählte authentisch machen, dennoch hält sich die Erzählerin – und mit ihr die Autorin – in dieser Geschichte weitgehend zurück.

Eine Position, die überzeugt, denn es geht um die Geschichte selbst, eine Kleine-Leute-Geschichte, die um das Jahr 1930 auf einem herrschaftlichen Sitz beginnt: Da erfährt die "gnädige Frau", dass eine ihrer Dienstbotinnen schwanger ist, was nicht in die moralischen Vorstellungen des herrschaftlichen Milieus passt: "Peperl, weißt du, wer der Vater deines Kindes ist?"

Mit diesem Satz fängt die Geschichte an, und sie ist eigentlich keine, in der Dienstboten aus Hartherzigkeit verstoßen werden, ein Kind soll nur seinen Vater haben, meint die Gnädige, und der, ein Steinmetzgeselle, bekennt sich auch zur Familie, und so scheint alles eine geordnete, aber eben sehr bescheidene Bahn zu finden.

Aber will man vom Leben nicht mehr, "Autos und Häuser haben und in feine Restaurants essen gehen" so wie die, die in Amerika ihr Glück gemacht haben? 1938 kommt auch für die kleinen Leute die Stunde, einmal im Leben zu profitieren, auch wenn es auf Kosten anderer geschieht. Und später wird es heißen, dass in der Grazer Annenstraße, wo Lily aufwächst, einmal viele jüdische Geschäfte waren …

Ein eben typisches Frauenschicksal

Lilys Eltern sind keine Nazis, aber warum nicht sollte man "die neue, bessere Zeit genießen", und nachher ist sowieso alles wieder anders, und von dem, was vorher war, wird nicht mehr geredet. Da sind immer noch Lilys Eltern mit dem Anspruch, dass es ihr Kind besser hat, dass es einen bürgerlichen Beruf erlernt.

Lily wird an der Lehrerbildungsanstalt aufgenommen, aber als sie dort Jack kennenlernt, ist von einem selbstständigen Leben keine Rede mehr, Lily begnügt sich mit der künftigen Rolle der Ehefrau und weiß nicht einmal, wie sie sich damit alle Chancen nimmt.

Jack wird für das Familieneinkommen sorgen, Lily, die eigentlich Lehrerin werden wollte, erfüllt das Rollenbild, beschränkt sich auf Küche und Gemüsegarten.

Ulrike Winkler-Hermaden erzählt ein ganz gewöhnliches, eben typisches Frauenschicksal, und sie tut es mit einfachen Mitteln, geradlinig, mit leisen Tönen, aber beachtlicher Konsequenz. Und es beeindruckt, wie sehr eine solche Geschichte ganz ohne feministischen Fingerzeig erzählt werden kann. (Gerhard Zeillinger, 17.2.2020)