Jelena Popržan über die Solokunst: "Ich bin für alles, Gutes und Schlechtes, selber verantwortlich."

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wo immer das Lauschen ansetzt, es strahlt ihm vielgestaltiger Kunstwille entgegen – selbst bei Vater Bachs Fuge aus der Sonate BWV 1001: Jelena Popržan deutet sie keck. Sie singt eine Linie, während sie den gewichtigen "Rest" der barocken Mehrstimmigkeit auf der Bratsche umsetzt – ihrer fünfsaitigen, die den Namen Quintone trägt. Das Instrument fehlt dann zwar beim Stück mit dem Titel #Glas, dieser elegischen Vokalimprovisation. Dafür umgarnt Popržans markante Stimme eine selbstgebastelte Glasharfe.

Zentral sind auf der neuen CD vielleicht aber doch die Variationen über La Folia: Das seit der Renaissance beliebte melodisch-harmonische Gerüst, ein Objekt zahlloser Paraphrasen, wird bei der in Wien lebenden Künstlerin aus Novi Sad zum 16-minütigen Fest des Fantasievollen, das der Solo-CD (bei Lotus erschienen) auch ihren Namen verliehen hat.

Ihr Pas de deux

Da ist melancholisches Gleiten durch folkloristische Molltonleitern wie auch tänzerische Ausgelassenheit. Da sind nostalgisch gepfiffene Lyrismen wie auch Popržans spezieller Gestaltungsmix, bei dem Gesang und Viola zu einem Pas de deux des Unisonohaften verschmelzen.

Auch Chansonflair schwebt vorbei wie auch ruppige Violariffs und wilde Phrasen, bis schließlich so etwas wie eine surreale Minioper zu ertönen scheint: Das Stimmengewirr mutet an wie das einer exaltierten Abendgesellschaft, die nach und nach zu einer Soundwolke verdampft. Das Schöne also: Hier hat jemand keine Scheu, Dinge gründlich auszukosten und konsequent auszureizen.

Italienische Reise

Die Vielfalt der Zugänge sei nichts Besonderes, findet Popržan. "Die Buntheit, der ich mich bediene, wollte ich nie als eine Distinktion an mich heften. Das kam ganz spontan." Heutzutage sollte das eigentlich auch nichts "Außergewöhnliches darstellen, denn wir haben Zugang zu so vielen Informationen, wir müssen keine ,Italienreise‘ unternehmen, um neue Stille zu erforschen", sagt Popržan, die durch ihre Arbeit mit dem Duo Catch-Pop String-Strong oder der Band Madame Baheux bekannt wurde.

Dass es eine Solo-CD werden musste? "Die Mosaiksteinchen für dieses Soloprogramm sammelte ich in den letzten Jahren, während ich überwiegend mit meinen Bands oder fürs Theater tätig war. Für mich markiert das Album den Abschluss meiner ersten zehn Bühnenjahre – und einen neuen Anfang." Nach und nach habe sie auch die Qualitäten einer Soloperformance entdeckt.

Das Gute und das Schlechte

"Hier bin ich für alles, das Gute und das Schlechte, selbst verantwortlich. Und: Ich muss bestimmte Kompromisse nicht eingehen. Außerdem entsteht eine sehr spezielle Magie zwischen dem Publikum und mir, die ich mag."

Sie wird sie am Dienstag im Porgy & Bess herzustellen wissen – mithilfe all jener Stilelemente, die sie interessieren, also "Klassik, Jazz, World, Rock, Pop, Cabaret, Singersongwriting und freie Improvisation". Inspiration sei ja "überall". Es geht darum, die Dinge, die einem widerfahren, die einen umgeben, zu deuten. Und dies natürlich eigenwillig. (Ljubiša Tošic, 15.2.2020)