Neben den AfD-Politikern Björn Höcke und Beatrix von Storch richtete sich der Protest auch gegen den FDP-Mann Thomas Kemmerich.

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Erfurt – Unbeeindruckt vom Rücktritt des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich haben am Samstag Tausende Menschen in Erfurt gegen die Wahl des Regierungschefs mithilfe der AfD protestiert. Zu einer Kundgebung auf dem Domplatz kamen am Nachmittag 6.000 Menschen, wie ein Polizeisprecher sagte.

An einem Demonstrationszug durch die Innenstadt beteiligten sich laut Polizei bis zu 9.000 Menschen. Die Veranstalter – Deutscher Gewerkschaftsbund und die Initiative "Unteilbar" – sprachen von 18.000 Teilnehmern über den Tag verteilt. Laut Polizei verliefen die Proteste friedlich. Redner übten während der Kundgebung scharfe Kritik am Vorgehen von CDU und FDP bei der Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar. Dabei war der FDP-Politiker Kemmerich mit Stimmen von CDU, FDP und maßgeblich von der AfD zum Regierungschef in Thüringen gewählt worden.

"Unglaubliche Machtversessenheit"

Dies zeuge 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz von "unglaublicher Ignoranz und Machtversessenheit", sagte Stefan Körzell, Mitglied des DGB-Bundesvorstandes. Der Rücktritt von Kemmerich und der angekündigte Rückzug von CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring sei das eine, sagte Corinna Hersel, Bezirksgeschäftsführerin der Gewerkschaft Verdi. "Aber damit ist nichts gelöst."

CDU und FDP hätten den "schamlosen" Demokratiemissbrauch der AfD ausgenutzt, um eine rot-rot-grüne Regierung zu verhindern, hieß es in der Rede von Reinhard Schramm, dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde, die dieser wegen des Sabbats nicht selbst hielt. Sie wurde auf dem Domplatz verlesen. Der evangelisch Propst Christian Stawenow mahnte zu mehr Redlichkeit in der Politik. Verloren gegangenes Vertrauen in die Politik müsse wiederhergestellt werden.

Unter den Demonstranten waren junge Menschen, Familien und Ältere. Auf Plakaten forderten sie "Demokratienachhilfe" für CDU und FDP. Andere zogen Vergleiche zum Nationalsozialismus. Unter dem Motto "#Nichtmituns: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!" hatten die Veranstalter bundesweit mobilisiert. Allein aus Hessen und Thüringen machten sich einer DGB-Sprecherin zufolge rund 50 Busse auf den Weg in die thüringische Landeshauptstadt.

Prozess um "Faschist"

Kemmerich war am 5. Februar mit den Stimmen der AfD gewählt worden. Der FDP-Politiker trat nach drei Tagen im Amt zurück und ist seitdem lediglich geschäftsführend im Amt. Die Debatte um seine Wahl hatte auch bundesweit zu schweren politischen Verwerfungen geführt und mit zum Rücktritt auf Raten der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer beigetragen.

Der Wahlspruch der Veranstaltung hatte in ähnlicher Form schon einmal für einen Prozess gesorgt. Damals war eine Demonstration als "Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den Faschisten Höcke" angekündigt gewesen. Björn Höcke, Chef der AfD Thüringen und auch innerhalb seiner Partei weit rechts angesiedelt, klagte. Ein Gericht widersprach ihm: Das "Werturteil" sei "nicht aus der Luft gegriffen". (APA, red, 15.2.2020)