Tagtraum eines Tyrannen? Künftig soll eine Jury über neue Architekturprojekte entscheiden – in dieser dürfen aber keine Künstler, Architekten oder Bauexperten sitzen.

renaschild/iStock, Gage Skidmore

John F. Kennedy und sein Stadtplanungsberater Daniel Patrick Moynihan haben 1962 eine Richtlinie für Bundes- und Regierungsbauten erlassen, in der sie darauf hinweisen, dass ein offizieller Baustil und übertriebene Gleichförmigkeit vermieden und dafür "den schönsten zeitgenössischen Architekturgedanken" Raum gegeben werden soll: "In der Gestaltgebung hat sich die Regierung der Architektur anzupassen, und nicht umgekehrt." Nun könnte Kennedys Erbe bald Geschichte sein.

Wie letzte Woche bekannt wurde, fordert der US-amerikanische Präsident Donald Trump nämlich, staatliche Bauten ab sofort in "klassischem" Stil zu errichten, und nennt als Vorbilder das "demokratische Athen", das "republikanische Rom" sowie die beiden Präsidenten und Architekturliebhaber George Washington und Thomas Jefferson, die für die damals junge Hauptstadt Washington, D.C., einige prägende Schlüsselbauten entwarfen. Das Dekret unter dem Titel "Making federal buildings beautiful again", in das sich die konservative National Civic Art Society eingebracht hat, wurde geleakt und liegt dem STANDARD als siebenseitige Rohfassung vor.

Respekt vor Verwaltung

"Die Gründungsväter haben den Bundesbauten große Bedeutung beigemessen", heißt es darin. "Staatsarchitektur sollte Respekt vermitteln, und nicht Verwirrung und Abscheu. Klassische und traditionelle Architekturstile fördern genau den Respekt vor der Verwaltung. Sie sollten daher stärkere Verbreitung finden." Der mögliche Stilkanon umfasse unter anderem griechische und römische Architektur, Romanik, Gotik, Renaissance, spanische Kolonialarchitektur sowie den "Mediterranean Style", wie er in Florida und im Südwesten der USA vorzufinden sei.

Doch mehr noch als eine Lanze für dorische, ionische und korinthische Säulen ist Trumps Dekret eine Kampfansage an die gebaute Architekturlandschaft der letzten Jahrzehnte, die der Immobilientycoon unter "massivem Betonbrutalismus" und "chaotischem, entstelltem" Dekonstruktivismus subsumiert. Ganz konkret attackiert er einige dieser "entstellten" Regierungsbauten wie etwa das ökologisch innovative, 2007 errichtete US Federal Building in San Francisco, das aufgrund seiner Bauweise und Technologie mit deutlich weniger Strom und Kühlenergie auskommt. Dessen Architekt, Thom Mayne, wurde 2005 mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet.

Autoritäre Machtprobe

All diese Gebäude seien nicht nur "uninspirierend" und "inkonsistent im Eingehen auf die gebaute Umgebung und auf das architektonische Erbe einer Region", sondern oft auch "einfach nur hässlich". Es wird nahegelegt, bei Sanierungen und Renovierungsarbeiten zu prüfen, ob im Bereich der Fassaden ein historisierendes "Redesign in einem nun bevorzugten architektonischen Stil" möglich und machbar sei.

Darüber hinaus soll eine ungewöhnlich besetzte Jury eingerichtet werden, die über die künftigen Projekte entscheidet. Im Dekret heißt es: "Dieses Komitee soll keine Künstler, Architekten, Ingenieure, Kunst- und Architekturkritiker oder Mitglieder der Bauindustrie enthalten." Was sich wie ein größenwahnsinniger Tagtraum Trumps anhört, könnte schon bald Wirklichkeit werden, fürchten Experten. Innerhalb des nächsten Monats, so die "New York Times", könnte Trumps Papier im Weißen Haus beschlossen und unterschrieben werden. Um das zu verhindern, hat das American Institute of Architects (AIA) eine Onlinepetition gestartet.

"Trump fordert, was in den westlichen Demokratien seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr existierte, nämlich die Festlegung gestalterischer Regeln durch die Regierung oder durch einen Autokraten", sagt der deutsche Architekturpsychologe Riklef Rambow. "Der sogenannte klassische Stil ist nicht nur Ausdruck von Demokratie, sondern auch fast sämtlicher Diktaturen der letzten hundert Jahre wie etwa des Faschismus, des Staatssozialismus und des Nationalsozialismus. Die Wiedereinführung eines solchen Regierungsstils ist ein massiver Affront und eine Machtprobe."

Ein "diktatorischer Akt"

Der Architekt und Stadtplaner Mark Gilbert, gebürtiger US-Amerikaner, bezeichnet die nun geäußerte Vorliebe für klassische Architektur als "perfektes semantisches Puzzlestück" in dem paternalistischen Regierungsstil Trumps. Und die Wiener Architektin und Kulturwissenschaftlerin Gabu Heindl, Professorin an der AA London und an der Sheffield University, meint: "Trumps Re-Beautification-Programm bringt seinen autoritären Populismus auf den Punkt – mit klassizistischer, respekteinflößender Imperial-Architektur zurück in die Zeit vor den antirassistischen, basisdemokratischen und emanzipatorischen Bewegungen." Noch deutlicher formuliert es Sydney Franklin, Herausgeberin des "Architect's Newspaper": "Ein diktatorischer Akt. Hitler und Stalin haben auf gleiche Weise gehandelt, wie es nun Trump vorhat." (Wojciech Czaja, 16.2.2020)