Angela Merkel war viele Jahre lang gleichzeitig CDU-Chefin und Kanzlerin von Deutschland. Jetzt zeichnet sich kein eindeutiger Nachfolger ab, daher ist in der CDU von einer Teamlösung die Rede.

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Die Meinungen ändern sich rasant in diesen Tagen. Noch vor einer Woche hatte die scheidende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, sie wolle ihre Nachfolge und die Frage der Kanzlerkandidatur in den kommenden Monaten klären. Die Aussicht auf einen langen, lähmenden Prozess sorgte jedoch für Unmut in der CDU und auch in der Schwesterpartei CSU.

Also führt AKK nicht nur diese Woche schon Gespräche mit den Kandidaten, sondern will den CDU-Gremien auch bereits am kommenden Montag einen Vorschlag präsentieren, wie es nun weitergehen soll. Als Erstes soll am heutigen Dienstag Ex-Fraktionschef Friedrich Merz dran sein, am Mittwoch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, tags darauf Gesundheitsminister Jens Spahn.

Eine definitive Zusage gibt es von keinem der drei. Alle lassen aber durchblicken, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – am deutlichsten war Merz. Er hat die höchsten Zustimmungswerte, aber auch ein Problem.

"Nicht so wie vor 20 Jahren"

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder macht deutlich, dass er mit Merz nicht viel Freude hat. Zwar nannte Söder Merz in der Talksendung "Anne Will" nicht beim Namen – aber es war klar, wen er meinte, als er erklärte, es reiche nicht zu erklären: "Wir machen es jetzt einfach mal so wie vor 20 Jahren."

Auch eine zweite Aussage Söders ist deutlich auf den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden gemünzt: "Ich glaube, dass ein Bruch mit der Bundeskanzlerin nicht das Richtige ist. Wir haben schon eine große, starke Kanzlerin", so der CSU-Chef.

Merz hat Merkel immer wieder scharf kritisiert, zuletzt das Erscheinungsbild der Regierung "grottenschlecht" genannt. Er und Merkel können auch persönlich nicht miteinander, seit Merkel ihn im Jahr 2002 vom Fraktionsvorsitz verdrängt hat.

Allerdings hatte sich Merz bei einem Auftritt in der Vorwoche versöhnlicher gegeben und erklärt, man dürfe nicht vergessen, dass Deutschland heute eines der sichersten und wohlhabendsten Länder der Welt sei.

Merz, davon kann man ausgehen, traut sich alles zu. Doch es mehren sich die Stimmen in der CDU, die nicht alles auf eine Karte setzen wollen. "Es könnte ja auch sein, dass wir in den nächsten Tagen uns darum bemühen, ein Team zu bilden, in dem die Stärken aller drei Bewerber zur Geltung kommen", sagt Thomas Strobl, Landeschef von Baden-Württemberg und Vizechef der Bundespartei.

Keinen zweiten "Zirkus"

Auch Gesundheitsminister Spahn erklärt: "Es gibt ein hohes Bedürfnis bei unseren Wählern und unseren Mitgliedern, dass wir das im Team und mit viel Verantwortungsbereitschaft regeln."

Dahinter steckt die Sorge vor einer tiefen Spaltung der Partei, wenn die drei Kandidaten gegeneinander antreten und es auf eine Kampfabstimmung wie beim Parteitag 2018 in Hamburg hinausläuft. Damals hatten sich ja Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn dem Votum gestellt.

Vizeunionsfraktionschefin Katja Leikert warnt in der Rheinischen Post vor einer Kampfkandidatur: "Was nicht geht, ist, dass das Lager des Unterlegenen dann wie nach der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer dreimal täglich die Autorität des neuen Vorsitzenden untergräbt. So einen Zirkus dürfen wir uns kein zweites Mal erlauben."

Ramelow schlägt Lieberknecht für Thüringen vor

Eine Lösung wird auch im Bundesland Thüringen gesucht. Dort stand am Montag ein Krisengespräch von CDU, Linke, SPD und Grünen auf dem Programm. Dort soll offenbar die frühere Thüringer Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin ins Gespräch gekommen sein. Ex-Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) habe sie vorgeschlagen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen.

Nach Einschätzung von Beobachtern könnte Lieberknecht eine Art Übergangs-Regierungschefin bis zu Neuwahlen sein. Die 61-Jährige war 2009 bis 2014 Regierungschefin in Thüringen und führte damals eine Koalition von CDU und SPD an. Nach der Landtagswahl 2014 entschied sich die SPD für ein Bündnis mit der Linken und den Grünen. So kam es zum Machtwechsel, obwohl die CDU damals stärkste Fraktion im Landtag blieb.

Grund für die Suche nach einem Ministerpräsidenten in Thüringen ist die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich in eben jenes Amt vor zwei Wochen. Am 5. Februar ist Kemmerich zum Entsetzen vieler mit Stimmen der FDP, CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden und ist auch wieder zurückgetreten. (Birgit Baumann aus Berlin, red, 17.2.2020)