Nach dem Derbysieg der Austria tauschten Spieler und Polizeikräfte ihren Arbeitsplatz. Für einen Stadionbesucher endete der Abend mit einer ungerechtfertigten Anzeige, die nun zwei Polizisten vor Gericht brachte.

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Wien – Ein "Beobachtungsfehler", wie ihn Verteidiger Roland Kier ortet? Oder doch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt, das Staatsanwältin Romina Kaschnitz sieht? Das Schöffengericht unter Vorsitz von Christian Gneist muss sich entscheiden, was im Hütteldorfer Allianz-Stadion am Abend des 16. September 2018 und danach geschah. Laut Anklage sollen zwei Polizisten falsche Amtsvermerke fabriziert haben, was zu einem Verfahren gegen einen Stadionbesucher führte.

Kontrollinspektor Z. und seine Vorgesetzte Z. sitzen auf der Anklagebank und bekennen sich nicht schuldig. Er habe seinen Amtsvermerk "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst", betont der Erstangeklagte. Dieser drehte sich um einen Vorfall nach Abpfiff des 327. Wiener Derbys zwischen dem SK Rapid und dem FK Austria. Die Gäste hatten das Spiel 1:0 gewonnen, was die Hardcore-Anhänger der Heimmannschaft nicht goutierten.

"Unsterblicher" kletterte über Zaun

20 bis 30 von ihnen stürmten den Rasen in St. Hanappi und versuchten, in den Gästesektor auf der anderen Seite zu gelangen. Dort überkletterten wiederum zwei Unterstützer der Austria einen Zaun, um zu ihren Kontrahenten zu kommen. Einer der beiden war Herr F., Teil der von der Austria mit Heimstadionverbot belegten rechten Gruppe "Unsterblich Wien". Lokale Ordner und Polizisten fingen das Duo ab.

Nach den Aktenvermerken der beiden Polizeibeamten, die Anklägerin Kaschnitz vorliest, muss sich F. beinahe wie ein Tollwütiger gebärdet haben. Er sei aggressiv gewesen, habe sich "wiederholt gewehrt" und schließlich mit einem "wuchtigen Ellbogenstoß" einen weiteren Polizisten getroffen, der dadurch auf der steilen Treppe zu Sturz gekommen sei und sich dabei schwer verletzt hätte.

Mit "Halsklammer" fixiert

Nur: Das stimmt nicht, wie die Aufnahmen aus der Überwachungskamera zeigen, die gleich zu Beginn präsentiert werden. Zu sehen ist, dass F. zwar unwillig, aber doch mit den Beamten mittrottet. Am Stiegengeländer beugt er sich zu Kontrollinspektor Z. vor, der ihn plötzlich von vorne in die "Halsklammer" nimmt und gegen das Geländer drückt. F. versucht sich aufzurichten und bewegt dabei den Ellbogen. Den verletzten Beamten trifft er dabei definitiv nicht, warum dieser zu Sturz kommt, bleibt unklar.

Was Vorsitzender Gneist nicht einleuchtet: warum die Polizisten in ihren Aktenvermerken offensichtlich Falsches schrieben, obwohl Bildmaterial vorlag. Noch dazu, da nach der Festnahme von F. der Journalstaatsanwalt am selben Abend nach einem Telefonat mit einem Polizisten, der das Video da bereits gesehen hatte, festhielt, es habe keine aktive Gewalt von F. gegeben und er sei zu enthaften.

Verteidiger mit Vorwürfen an Staatsanwaltschaft

Das liege an internen Vorschriften, argumentieren die Angeklagten. Aktenvermerke seien rasch zu schreiben, die Videoaufnahmen da noch nicht verfügbar. Und sie hätten einen Ellbogenstoß wahrgenommen. Verteidiger Kier geht noch weiter: Auch die Staatsanwaltschaft habe zwei Monate nach dem Vorfall gegen F. Anklage eingebracht, ohne das Video gesehen zu haben. Er, Kier, würde da aber keinen Amtsmissbrauch vorwerfen, denn: "Bei der Staatsanwaltschaft wird einfach geschlampt. Es ist ein Fehler passiert." Genau das treffe auch auf die Angeklagten zu.

Der Senat begründet seinen nicht rechtskräftigen Freispruch mit einem fehlenden Motiv, warum die Polizisten F. "wissentlich", wie es der Paragraf verlangt, falsch beschuldigen sollten. Dass die Vermerke objektiv falsch gewesen seien, stehe dagegen ohne Zweifel fest. "Dieser Fall birgt sehr viel Evaluierungspotenzial", hält Gneist mit Blick auf Polizeivertreter daher fest. (Michael Möseneder, 17.2.2020)