Chinesische Sporterfolge waren nicht selten von Dopingskandalen überschattet. Deshalb stoßen sich viele Konkurrenten daran, dass China aktuell gar nicht beleuchtet wird.

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Sun Yang ist dreimaliger Olympiasieger im Schwimmen und somit in China nicht irgendwer. Er kann sich einen Hammer und auch Security leisten. Und so kam es, dass Sun Yang nach einer Dopingkontrolle im September 2018 seinen Hilfssheriff anhielt, den Blutbehälter mit dem Hammer zu zerstören. Erst danach durfte der Kontrollor das Haus des Schwimmers verlassen, der später behaupten sollte, der Mann habe sich nicht ordentlich ausweisen können.

Sun Yang ist im Konnex mit Doping kein unbeschriebenes Blatt, schon im Mai 2014 hat er einen positiven Test abgeliefert, er kam mit drei Monaten Sperre davon. Der Schwimmweltverband (Fina) war nie ein Vorreiter im Kampf gegen Doping und folgte auch aktuell Sun Yangs Argumentation. Doch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ließ den Fall nicht auf sich beruhen und rief den Sportgerichtshof (Cas) an, der nun mit der Causa befasst ist.

Olympiasieger, Hammer, zerstörter Dopingtest, keine Konsequenzen – das würde so weit ins Bild passen, das die Sportwelt von China hat, seit systematisches Doping in den 80ern und 90ern ruchbar wurde. Chinesen dopen und richten es sich. Die Sportimagewerte des Reichs der Mitte pendeln sich tatsächlich mittig ein, nämlich zwischen jenen der, nun ja, guten alten DDR und jenen der zuletzt umtriebigen Russen, die nach Staatsdopingskandalen bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio (ab 25. Juli) wie schon 2016 (Rio) gesperrt sind.

Da nimmt es nicht wunder, dass viele aufgehorcht haben, als wegen des Coronavirus alle Dopingkontrollen in China ausgesetzt wurden. Weder sind chinesische Kontrollore im Land unterwegs, noch kommen ausländische Kontrollore nach China. Die einzigen Chinesen, die momentan Proben abgeben, sind jene, die bei Wettkämpfen oder zum Training im Ausland weilen.

"Dann muss man sich ernsthafte Fragen stellen"

Für den deutschen Experten Hajo Seppelt ist es "natürlich verständlich, dass es die Priorität sein muss, erst einmal Menschen zu schützen", also möglichst niemandem dem Risiko auszusetzen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Seppelt sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk, es werde "intensiv nach Auswegen gesucht". Doch niemand weiß, wie lange der Zustand andauert. Es ist gut möglich, dass viele Chinesen vor Olympia kaum oder gar nicht kontrolliert werden. "Dann muss man sich ernsthafte Fragen stellen", sagt Seppelt. "Denn das ist natürlich ein ideales Schlupfloch für potenzielle Doper, um in dieser Zeit zu manipulieren."

Das ist die eine Sichtweise, es gibt auch eine andere. Mag sein, sie ist leicht naiv, doch geht sie davon aus, dass auch chinesische Sportler prinzipiell nicht oder nicht prinzipiell dopen. Von der Unschuldsvermutung also. Nur einmal angenommen, ein Chinese ist sauber, wie kommt er dann dazu, dass er schief angeschaut wird, weil er Coronavirus-bedingt eine Zeitlang nicht zur Ader gelassen werden konnte? Rob Koehler, Generaldirektor der Vereinigung "Global Athlete", sagte der FAZ, es sei "jedes Verdachtsmoment zu vermeiden. Das ist das Recht der chinesischen Sportler, die in Tokio antreten wollen."

Chinas Präsident Xi Jinping, das sei ergänzt, hob im Vorjahr seine ablehnende Haltung gegenüber Doping hervor und stellte sogar Haftstrafen für Doper in Aussicht. "Ich hasse Doping", sagte er. "Ich würde lieber saubere Sportler haben als eine Goldmedaille oder irgendeine Medaille." (Fritz Neumann, 17.2.2020)