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Die US-Pfadfinder haben immer weniger Mitglieder, dafür tauchen immer mehr Missbrauchsvorwürfe auf.
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/TOM PENNING

Die Pfadfinder haben in den USA nach jahrelangem Mitgliederschwund und Missbrauchsvorwürfen einen Insolvenzantrag gestellt. Die Bundesorganisation Boy Scouts of America (BSA) hat Gläubigerschutz beantragt wegen einer derzeit auf die Organisation zurollenden Klagswelle in Zusammenhang mit tausenden mutmaßlichen Fällen von sexuellem Missbrauch.

Wie aus internen Untersuchungen der Pfadfinder, den sogenannten "Perversion Files", hervorgeht, soll es im Zeitraum von 1944 bis 2016 mehr als 7.800 Verdächtige und 12.000 Opfer geben. Damit könnte eine weitere US-Institution demnächst einen hohen Preis für sexuellen Missbrauch begleichen müssen. Etliche katholische Diözesen, bekannte Schulen oder Turnvereine mussten in den vergangenen Jahren hunderte Millionen Dollar an Opfer zahlen.

Hohe Dunkelziffer

Dabei handelt es sich jedoch nur um jene Fälle, die in den internen Daten der BSA festgehalten sind. Opferanwalt Paul Mones schätzt, dass nur jeder vierte Fall in dieser Datenbank enthalten sei – entweder weil die Pfadfinder die Daten teilweise gelöscht hätten oder weil viele Fälle gar nicht erst gemeldet worden seien. Nun suchen Anwälte mit TV-Einschaltungen nach weiteren Opfern, nachdem im Vorjahr in den Bundesstaaten Kalifornien, New York, New Jersey und Arizona die Verjährungsfristen für derartige Fälle deutlich verlängert wurden.

Obwohl die Boy Scouts mit einem anhaltendem Mitgliederschwund kämpfen – seit den 1970ern ist die Zahl der US-Pfadfinder von vier auf rund 2,2 Millionen gesunken –, geht es um viel Geld. Das Gesamtvermögen der Organisation wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Letzten Endes könnte sie zum Verkauf riesiger Landflächen inklusive Campingeinrichtungen und Wanderwege gezwungen werden, um mit dem Erlös einen Fonds zur Opferentschädigung zu speisen.

Zwar beteuern die US-Pfadfinder, dass die mehr als 260 lokalen Ableger nicht von der Insolvenz betroffen seien, da es sich bei diesen um rechtlich und finanziell unabhängige Organisationen handele. Ob auf deren Vermögen im Zuge der Klagen zugegriffen werden kann, ist eine Frage, die im Zuge des US-Insolvenzverfahrens nach Chapter 11, das als einer der bisher komplexesten Pleitefälle gilt, geklärt werden muss. Ebenso, ob die Versicherungen der BSA die Entschädigung teilweise abdecken müssen.

Vertuscht statt angezeigt

Zwei Versicherungen kündigten bereits im Vorjahr an, für Schäden durch Verurteilungen oder außergerichtliche Einigungen nicht zahlen zu wollen. Ihre Argumentation: Die BSA hätte zahlreiche Missbrauchsfälle verhindern könne. Stattdessen hat die Organisation versucht, einen größeren Skandal zu verhindern, wie Recherchen der "Los Angeles Times" bereits 2012 aufdeckten. Demnach sollen hunderte Fälle nicht angezeigt, sondern vertuscht worden seien.

Opferanwalt Mones, der zahlreiche Kläger vertritt, will sich damit nicht abspeisen lassen. "Es gibt viele sehr verärgerte und aufgebrachte Menschen, die die Boy Scouts nicht davonkommen lassen wollen, ohne zu sagen, wo sich ihr Vermögen befindet", kündigt er an. "Sie wollen, dass jeder Stein umgedreht wird." (aha, 18.2.2020)