Barcelona – Mit von acht auf sechs Tage gekürzten Testfahrten beginnt am Mittwoch die finale Vorbereitungsphase auf die 71. Formel-1-Saison. Diese und kommende Woche versuchen die Teams in Barcelona ihre Autos fit für die am 15. März in Australien beginnende WM 2020 zu machen. Erwartet wird dank gleichgebliebenen Reglements erneut ein Dreikampf. Red Bull sieht sich allerdings als ersten Mercedes-Jäger.

Helmut Marko im angeregten Gespräch mit Max Verstappen.
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Denn beim Einserteam von Dietrich Mateschitz hat man die Schwachstellen vergangener Jahre erkannt und ausgemerzt. Das Auto kam so früh wie schon lange nicht auf den Prüfstand, der Rollout erfolgte pünktlich. "Bisher sind wir immer erst zur Saisonhälfte so richtig in Fahrt gekommen. Diesmal aber passt das Timing", sagt Motorsportdirektor Helmut Marko. "Wir waren in der Hybrid-Ära noch nie so gut vorbereitet wie jetzt, und Honda hat einen weiteren Schritt zugelegt. Deshalb sehe ich uns als ersten Herausforderer. Und das ist eine angenehmere Situation als jene des Titelverteidigers."

Die Zutaten, um Max Verstappen doch noch zum jüngsten F1-Weltmeister zu machen, sind beim letztmöglichen Versuch also offenbar gut. Auch wenn Marko betont: "Mercedes ist wieder Favorit. Sie haben die letzten sechs Weltmeisterschaften gewonnen, und Lewis Hamilton ist in einem absoluten Hoch."

Ferrari hat zwar das Vorjahr vor Red Bull als WM-Zweiter beendet, hatte das aber hauptsächlich einem zunächst eher rätselhaften PS-Vorsprung in der ersten Saisonhälfte zu verdanken. "Da gab es Überholmanöver, da ist einem alles vergangen", erinnert sich Marko schmunzelnd. "Wir haben zu spät reagiert." Man werde stattdessen künftig "gleich reagieren, notfalls mit Protesten".

Der erwartete Dreikampf findet auch unter den Piloten statt. Hamilton will im letzten Jahr, bevor wegen eines kompletten Technikumbruchs eventuell einem anderen Team der goldene Wurf gelingt, mit seinem siebenten Titel zu Rekordchampion Michael Schumacher aufschließen. Verstappen und der ebenfalls 22-jährige Ferrari-Jungstar Charles Leclerc können letztmalig jüngster Weltmeister der Geschichte werden.

"Lewis ist ein Naturtalent, sauschnell und hat mittlerweile Routine en masse. Aber er ist, auch wenn das dumm klingt, zuletzt mehr oder minder ohne Konkurrenz gefahren", sagt Marko. Leclerc habe unglaublichen Speed gezeigt. "Sowohl er als auch Ferrari waren aber fehleranfällig. Ich glaube nicht, dass man das innerhalb einer Saison ablegen kann."

Selbst hofft man bei den Testfahrten in Montmelo Bestätigung dafür zu bekommen, dass die Chance auf den ersten WM-Titel seit 2013 lebt. Marko ist auch wegen Verstappens fahrerischen Talents davon überzeugt. "Er ist auf der einzelnen Runde vielleicht der Schnellste der drei und hat inzwischen auch die nötige Routine und Reife. Mit dem Paket, das wir ihm hoffentlich bieten, kann er ein ernstzunehmender Gegner werden."

Verstappen hat sich bereits bis 2023 und damit länger als Honda (2021) an Red Bull gebunden und hofft das auch. "Wir wissen, dass wir von Beginn weg bereit sein müssen, damit wir um den Titel kämpfen können", betont der Niederländer. "Es wird nicht leicht. Aber wir versuchen alles, was möglich ist."

Zum Paket zählt Marko klarerweise den Honda-Motor, mit dem Red Bull zuletzt immer besser gefahren ist. Deshalb hat beim Österreicher auch ein bemerkenswerter Meinungsumschwung zum Thema Hybridantrieb stattgefunden. Der jahrelange Kritiker ist mittlerweile zum Fan geworden. "Erstens haben wir jetzt selbst einen wettbewerbsfähigen Hybridmotor, das ändert viel", so Marko. "Zum anderen haben sich die Zeiten geändert – Stichwort Fridays for Future oder Dieselgate."

Man könne daher als Top-Motorsportart Ansätze für Nachhaltigkeit zwar nicht als oberste Priorität setzen, aber doch in gewissen Punkten erfüllen. "Es war ein großer Fehler der gesamten Formel 1, dass die Effizienz und die technische Brillanz dieser Motoren in keiner Weise der Öffentlichkeit erklärt oder dargestellt wurden", ist Marko mittlerweile überzeugt. "Es gibt nichts Besseres als das, was wir hier verwenden." (APA, 18.2.2020)