Die neue EU-Mission soll kein humanitärer, sondern ein militärischer Einsatz sein. Die Details über die eingesetzten Schiffe und Flugzeuge im Mittelmeer sollen im März bekannt werden.

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Der Dienstag begann für die Besatzung des Rettungsschiffs Ocean Viking früh am Morgen. In der Dämmerung entdeckten die Helfer ein überfülltes Holzboot in der libyschen Such- und Rettungszone – die sich in internationalen Gewässern befindet. An Bord waren 84 Männer ohne eine einzige Rettungsweste – 21 von ihnen minderjährig. Die meisten stammen aus Bangladesch, Marokko und Somalia, jeweils zwei aus Algerien und Gambia.

Die Mitarbeiter der beiden Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen (MSF) nahmen die Flüchtlinge und Migranten "während einer relativ ruhigen Rettung" an Bord, wie Hannah Wallace Bowman, MSF-Sprecherin an Bord, am Telefon erzählt.

Man sei erleichtert gewesen ob der ruhigen See, sagt Wallace Bowman, denn "während vergangener Einsätze hatten wir dramatische Rettungen mit Holzbooten bei hohem Wellengang". Die Ocean Viking bleibt auch nach der Rettung in der Region, um auf weitere Boote in Seenot reagieren zu können. Die bereits siebente Rettung seit Jahresbeginn zeige laut der MSF-Sprecherin, dass es "weiterhin einen hohen Bedarf an staatlich koordinierten Rettungseinsätzen gibt".

Neue Mission, Name unbekannt

Und doch haben sich die EU-Außenminister am Montag in Brüssel darauf geeinigt, die Mittelmeermission Sophia einzustellen. Ihr Mandat endet somit am 20. März. Offiziell – denn bereits im Frühjahr 2019 wurden die Schiffe abgezogen. Sie soll durch eine namentlich noch unbekannte Mission ersetzt werden, deren Ziel vor allem die Kontrolle des UN-Waffenembargos gegen Libyen übernehmen soll.

"Wenn es keine Waffen gibt, dann gibt es auch keinen Krieg", sagte Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister. Die eingesetzten Kräfte in der Luft und im Meer sollen nicht mehr wie unter Sophia die gesamte libysche Küste entlang patrouillieren, sondern ihr Einsatzgebiet soll weiter östlich in der Nähe von Ägypten liegen.

Mehrere Staaten haben bereits signalisiert, Truppen und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Doch erst in den kommenden Wochen werde sich entscheiden, wie das Mandat der neuen Mission aussehen werde.

Schiffe wieder abziehen

Zuerst müssten sich die Experten beraten und die Details ausarbeiten, sagte ein EU-Informant zum STANDARD. Erst dann sei auch klar, ob die Mission bewaffnet oder unbewaffnet sein wird – obwohl es im Moment nach Letzterem aussieht. Sollten durch die EU-Präsenz im neuen Gebiet mehr Flüchtlinge und Migranten die Überfahrt nach Europa wagen, behält sich die Union vor, die Schiffe wieder abzuziehen.

Die Minister stellten am Montag klar, dass dies keine Mission zur Suche und Rettung von Migranten in Seenot sein werde. Doch die Pflicht zur Rettung steht über dem Mandat. Internationale Übereinkommen werden natürlich eingehalten, so der EU-Informant. Die neue Mission soll auch das Ziel haben, die libysche Küstenwache auszubilden.

Keine Kooperation mit NGO

Sollte ein Schiff der EU-Mission Migranten und Flüchtlinge an Bord nehmen, dürfte man diese nicht nach Libyen zurückbringen, da das Land nicht als sicherer Ort gilt. Solch einen braucht es aber, um eine Seenotrettung laut maritimem Gesetz abschließen zu können. Und die Position der EU-Kommission ist klar: Das geht nicht in Libyen.

Was das Fehlen der Mission Sophia im Mittelmeer für die Arbeit der humanitären Helfer bedeutet? "Das wird man in den kommenden Wochen und Monaten sehen", sagt MSF-Sprecherin Hannah Wallace Bowman. Mehr könnte man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Man wolle die Entwicklungen "aber sehr genau beobachten", fügt sie hinzu. Einen großen Unterschied werde die neue Mission aber wahrscheinlich nicht machen: "Denn schon jetzt arbeiten die Sophia-Flugzeuge nicht mit uns zusammen", so Wallace Bowman. Die EU stelle mit dem neuen Beschluss die Überwachung der Grenzen über das Retten von Menschenleben. (Bianca Blei, 18.2.2020)